Putin wird die NATO angreifen. Schon 2024?

Wer glaubt, dass Putin vor einem Angriff auf NATO-Staaten Halt machen wird, hat das Wesen des russischen Terrorstaats noch immer nicht verstanden. Und schon gar, wer sich daran klammert, Russland könnte irgendwann zu einem „Frieden“ bereit sein. Putin und sein Regime existieren vielmehr nur für den Krieg, für die globale Verbreitung von Tod und Zerstörung. Und Russland hat dabei zu allem entschlossene Verbündete und Helfer. 2024 wird sich die Bedrohungslage für die gesamte freie Welt daher dramatisch weiter zuspitzen.

Zumindest eine einigermaßen ermutigende Nachricht war gegen Jahresende zu verzeichnen: Die EU hat die Ukraine, Moldau und Georgien zu Beitrittskandidaten ernannt. Was zweifellos bedeutet, dass diesen Nationen eine politische und ökonomische Zukunftsperspektive, die Aussicht auf eine gesicherte Existenz in Prosperität und demokratischer Stabilität gewährt wird. Aber da es für sie noch ein langer Weg bis zur EU-Vollmitgliedschaft ist, stellt dies eine langfristige, bestenfalls mittelfristige Perspektive dar.

Eines an ihrem Eintritt in den Kandidatenstatus hat indes eine sofortige Wirkung: Die Gesellschaften der Ukraine, Moldaus und Georgiens machen damit unzweifelhaft deutlich, dass ihre Abwendung von der sogenannten „russischen Welt“, jenem neoimperialen Ideologiekonstrukt des russischen Verbrecherregimes, endgültig ist.

Dies aber wird die Aggressionswut des russischen putinistischen Terrorstaats nur noch mehr anheizen. Moldau wie Georgien sind in akuter Gefahr, die nächsten Opfer der russischen Eroberungs- und Vernichtungsgelüste zu werden. Dabei muss jedoch allen klar sein, dass selbst solche neuen Angriffskriege des Kreml nicht mehr wären als ein Vorspiel,

Ukraine nur der Auftakt

Nach so vielem Wunschdenken über Putin, das über Jahrzehnte hinweg kultiviert worden ist, kann sich der freie Westen keine neuen Illusionen mehr leisten wie die, dass Russland, sollte es in der Ukraine nicht vollständig militärisch besiegt werden, an den Grenzen von NATO und EU Halt machen würde. Vielmehr lassen die Anführer des Kreml-Regimes schon längst keinen Zweifel mehr daran, dass sie ihren genozidalen Vernichtungsfeldzug gegen die Ukraine nur als den Auftakt zu einem  noch viel größeren Krieg gegen das betrachten, was sie als den „kollektiven Westen“ denunzieren. Den Beweis, wie ernst sie es damit meinen, könnte das freie Europa schneller zu spüren bekommen als selbst die realistischsten Befürchtungen es bisher in Betracht zogen.

Laut einem Bericht äußern europäische Geheimdienstquellen die Sorge, dass Russland bereits im Winter 2024-2025 einen Angriff auf Europa starten könnte. Dabei könnte es die Gelegenheit während der dreimonatigen Übergangszeit der US-Präsidentschaft nutzen, die sich von der Wahl Anfang November 2024 bis zur Amtseinführung Ende Januar 2025 erstreckt, und in der die USA nur eingeschränkt handlungsfähig sind. Das Risiko erhöht sich, sollte Präsident Joe Biden nicht wiedergewählt werden und der ehemalige Präsident Donald Trump, der aus seiner Affinität zu Putin keinen Hehl macht und die Militär- und Finanzhilfen für die Ukraine drosseln will, die Macht zurückgewinnen.

Ein Papier der Deutschen Gesellschaft für Internationale Politik (DGAP) warnte kürzlich davor, dass Russland innerhalb von sechs bis zehn Jahren einen direkten Angriff auf die NATO starten könnte. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius übernahm diese Einschätzung im Kern, als er jüngst erklärte, Deutschland und das westliche Bündnis blieben sechs bis acht Jahre, um sich gegen eine möglichen russische Aggression gegen NATO-Territorium zu waoppnen.

Putin: Zerstörung als Daseinszweck

Dieses Zeitfenster könnte sich indes als zu optimistisch bemessen erweisen. Immerhin sollen auch polnische Sicherheitsbeamte davon ausgehen, dass Russland die NATO in weniger als 36 Monaten angreifen könnte. Dabei würde Putin wohl primär NATO-Mitglieder in Osteuropa wie Polen, Estland, Rumänien und Litauen ins Visier nehmen.

Wer ein solches Szenario für ausgeschlossen oder auch nur unwahrscheinlich hält, hat noch immer nicht begriffen, womit wir es bei dem terroristischen Aggressorstaat Russland zu tun haben. Dieser hat keinen anderen Daseinszweck als Tod und Zerstörung über die ganze Welt zu bringen, und dazu plant er nicht nur den großen Krieg gegen die NATO, es wähnt sich bereits mitten darin, mit der Ukraine als dem ersten Schlachtfeld.

Dabei spielt es für die Machthaber in Moskau gar keine maßgebliche Rolle, ob ein solcher Krieg nach rationalen militärischen Kriterien für sie gewinnbar wäre. Ihren wahnhaften Vorstellungen gemäß wird der Westen vor ihrem absolutem Vernichtugswillen früher oder später auf jedem Fall in die Knie gehen, weil er „dekadent“ sei und es mit der russischen Bereitschaft zur grenzenlosen Gewaltanwendung nicht aufnehmen könne – ein Wille, der auch die Opferung von Millionen eigener Leben ohne weiteres in Kauf nimmt. „Klassische“ strategische Analysen, die das militärische Kräfteverhältnis abwägen und daraus bestimmte Konfliktwahrscheinlichkeiten ableiten, laufen daher ins Leere. Sie gehen von einer Rationalität aus, die auf russischer Seite nicht existiert. Russland geht es nicht um einen Sieg im herkömmlichen Sinne, sondern darum, maximale Zerstörung um der Zerstörung willen anzurichten. Je erfolgreicher es damit ist, für umso siegreicher hält es sich.

Das russische Verbrecherregime wird jedenfalls nicht ruhen, bis es seine kriminelle Vorherrschaft (mindestens) über ganz Europa ausgebreitet hat. Dabei ist es letztlich müßig und fahrlässig, darüber zu spekulieren, ob die putinistische Militärmaschine erst in sechs Jahren oder schon in drei oder gar in einem Jahr über NATO-Staaten herfallen wird. Der einzige Weg, sie davon abzuhalten, ist ihr jetzt in der Ukraine eine vollständige und verheerende Niederlage zu bereiten. Dazu muss der freie Westen im eigenen Überlebensinteresse seine Industrie unter Hochdruck auf Kriegsproduktion umstellen, sämtliche Beschränkungen bei der Belieferung der Ukraine mit Kriegsgerät aufheben und ihr unverzüglich alle Waffen zukommen lassen, die sie für ihren Sieg benötigt.

Doch nach der im Westen immer noch vorherrschenden Vorstellung wird der Krieg nur so lange weitergehen, bis sich die Kräfte des Aggressors so weit erschöpft haben, dass er nicht umhinkomme, sich auf Verhandlungen zumindest über einen Waffenstillstand einzulassen. Dieser Kalkulation entsprechend agieren die führenden westlichen Demokratien nach dem Prinzip, die Ukraine gerade so weit zu unterstützen, dass sie sich gegen die russische Vernichtungswalze behaupten und mittels ihrer Gegenoffensive zumindest bescheidene Geländegewinne erzielen kann. Diese, so heißt es immer wieder, würden ihre „Verhandlungsposition“ in kommenden Gesprächen mit Moskau stärken.

Globale Kriegsachse

Zugleich aber zögert der Westen, die ukrainische Armee mit den Waffensystemen auszustatten, die sie für die vollständige Rückeroberung der von den russischen Invasoren besetzten Gebiete benötigt. Davor schreckt er aus einer doppelten Angst heraus zurück: Zum einen der, in unmittelbare militärische Konfrontation mit Russland zu geraten, und zum anderen der Furcht, die staatliche Ordnung der russischen Föderation könnte durch eine allzu desaströse Niederlage in der Ukraine kollabieren – was, so die Einschätzung, unkontrollierbare Folgen für die weltweite „Stabilität“ haben würde.

Doch diese Annahmen beruhen auf einer Fehleinschätzung von epochalem Ausmaß, die der Westen, sollte er sie nicht schnellstens korrigieren, bald teuer wird bezahlen müssen. Dass Russland seinen Wehretat 2024 um nahzu 70 Prozent auf einen Anteil von fast 40 Prozent an den gesamten Staatsausgaben steigern will, sollte bei niemandem Zweifel daran lassen, was es in den kommenden Jahren vorhat: Krieg in einem seit dem Zweiten Weltkrig nie dagewesenen Ausmaß zu führen.

Dazu hat sich das russische Regime zu einer globalen Kriegsachse mit Iran und Nordkorea, unter Rückendeckung Chinas, zusammengeschlossen. Moskau und Teheran bilden heute eine symbiotische politische, militärische und finanzielle Allianz. Durch seine Drohnen- und Raketenlieferungen trägt der Iran (wie Nordkorea mit seinen Munitionslieferungen) wesentlich dazu bei, dass Russland seinen Terrorkrieg gegen die ukrainische Zivilbevölkerung fortsetzen kann. Umgekehrt kann sich das iranische Regime der Rückendeckung Moskaus bei der Realisierung seiner eigenen kriegerischen Ambitionen, die in dem bestialischen Terrorangriff seiner Stellvertretertruppe Hamas auf Israel ihren jüngsten grauenvollen Ausdruck gefunden hat, sicher sein.

Je länger Russland seinen Terrorkrieg gegen die Ukraine aufrecht erhalten kann, umso mehr steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich China das demokratische Taiwan miitärisch einverleiben wird. Mit der iranisch-russischen Kriegsachse teilt das Regime in Peking nämlich die Einschätzung, dass die vom Westen getragene liberale Weltordnung an ihr historisches Ende gekommen sei und sturmreif geschossen werden könne. Damit wächst die Gefahr, dass das nordkoreanische Regime die Gelegenheit nutzen könnte, im Windschatten eines chinesischen Angriffs auf Taiwan Südkorea zu überfallen. Bei der Jahresendsitzung der Zentralkomitees der herrschenden Arbeiterpartei rief dementsprechend Machthaber Kim Jong Un das Militär und die Rüstungsindustrie zu verstärkten Vorbereitungen für den Fall eines Kriegs auf der koreanischen Halbinsel auf.

Zögern heißt Eskalation

Niemand sollte sich angesichts dieser globalen Konstellation der Hoffnung hingeben, die russische Kriegsmaschinerie werde vor NATO-Staaten Halt machen. Der Kreml wird das westliche Bündnis vielmehr direkt angreifen, sobald er in dessen Reihen genügend Anzeichen von Schwäche und Konfliktscheu wahrzunehmen glaubt. Jedes Zögern des westlichen Bündnisses aus Furcht, zur „Eskalation“ des Krieges beizutragen, wird von den Moskauer Machthabern als ein solches Anzeichen gewertet. Und die Desinformationkriegsnetzwerke des Kreml tun alles dafür, diesbezügliche Zweifel und Spaltungen in den westlichen Gesellschaften zu schüren.

Womit die Rolle des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban ins Blickfeld gerät. Was bezweckt Orban mit seiner Obstruktionspolitik bezüglich des EU-Beitritts der Ukraine und der Finanz-und Militärhilfen für sie? Will er damit nur EU-Gelder erpressen, um sein korruptes Herrschaftssystem am Laufen zu halten? Zu viele Indizien sprechen inzwischen dafür, dass diese Annahme den wahren Sachverhalt verharmlost. Orban ist längst nicht mehr nur ein „schwieriger Partner“ der liberalen Demokratien, er agiert mittlerweile als ihr eingeschworener Feind. Orban handelt zunehmend wie ein russischer Einflussagent, sein Regime entwickelt sich rapide zum Trojanischen Pferd des putinistischen Aggressors innerhalb der Europäischen Union.

Wie ungeniert Orban mittlerweise als Erfüllungsgehilfe Putins auftritt, hat sich unlängst an seiner Äußerung gezeigt, in der Ukraine finde aktuell überhaupt kein Krieg statt. Krieg herrsche erst, so erklärte er znischerweise auf seinen Jahrepressekonferenz Mitte Dezember in Budapest, wenn Länder einander den Krieg erklärten – was seines Wissens nicht geschehen sei. „Das ist eine Operation, solange es keine Kriegserklärung zwischen den zwei Ländern gibt“, sagte er wörtlich. Damit reagierte er auf die Frage, weshalb er im Gespräch mit Putin zuletzt den Begriff „Krieg“ vermieden habe. Orban hatte den Kremlchef im Oktober in Peking getroffen. Der autoritäre ungarische Regierungschef passt sich mit dieser Wortwahl auf demonstrative Weise der putinistische Propagandalinie an, die den russsischen Angriffskrieg gegen die Ukraine als „miitärische Spezialoperation“ zu bezeichnen pflegt.

Ein Stück Ukraine für Orban?

Um Orbans Motivlage richtig einzuschätzen, muss man zudem in Betracht ziehen und endlich angemessen ernst nehmen, dass er seit Jahren immer offener davon träumt, in Revision des Trianon-Vertrags von 1920, Groß-Ungarn wiederherstelllen. Die westukrainische Region Transkarpatien betrachtet er dabei als ureigenes ungarisches Gebiet. Was, wenn er von Putin bereits die Zusage hätte, dass nach einer Niederlage der Ukraine dieses Gebiet Ungarn zugeschlagen wird? Dies würde jedenfalls erklären, warum Orban alles dafür tut, dass die Ukraine den Krieg verliert – und dabei intensiv mit dem proputinistischen Flügel der US-Republikaner kooperiert. Sage nach allem, was man in den vergangenen Jahren für unmöglich gehalten hat, niemand, dass derartiges undenkbar sei. Immerhin hatte Putin bereits 2008 in einem Gespräch den damaligen Ministerpräsidenten Donald Tusk mit der Frage schockiert, ob Polen im Falle einer Aufteilung des Landes nicht die Westukraine übernehmen wolle.

Umso mehr gilt: Ob die Ukraine integrierter Bestandteil der europäischen Familie wird, ist eine Kernfrage der Selbstbehauptung der europäischen Demokratie an sich. Sollte die Ukraine nicht in die EU kommen (können bzw. dürfen), wird es über kurz oder lang keine EU mehr geben. Am Schicksal der Ukraine entscheidet sich, ob das demokratische Europa noch eine Zukunft hat.

Nachdem Russland den Krieg nicht wie ursprünglich gedacht im Handstreich gewinnen konnte, setzt es jetzt darauf, die Ukraine auf lange Sicht zu zerstören, indem es sie durch permanenten Beschuss ihrer Infrastruktur der Lebensgrundlagen beraubt. Getrieben wird das Kreml-Regime dabei von einem abgründigen exterminatorischen Hass, mit dem es die Auslöschung der ukrainischen Staatlichkeit und Identität zu seiner höchsten Priorität, ja, in wahnhafter Paranoia, zu einer Existenzfrage für den Fortbestand Russlands überhaupt erklärt hat.

Ziel: Völkermord

Zum Jahresende hat der russische Terrorstaat seine wahren Absichten erneut auf mörderische Weise unterstrichen. Innerhalb weniger Stunden feuerte er mehr als 120 Marschflugkörper und Raketen auf die Ukraine ab – so viele wie seit den ersten Kriegstagen nicht mehr. Nach ukrainischen Militärangaben konnte die Flugabwehr mehr als die Hälfte der Flugkörper zerstören. Dennoch sind mindestens 31 Todesopfer und 160 Verletzte zu beklagen. Besonders schwer getroffen wurde die Stadt Dnipro, wo ein Einkaufszentrum und eine Geburtsklinik in Brand gerieten. Das macht einmal mehr unmissverständlich deutlich: Russland hat mit der Ukraine nichts anderes vor als sie um jeden Preis zu vernichten. Sein Ziel ist kein „Frieden“, sondern Völkermord.

Dabei ist das putinistische Russland mit seinen horrenden Verbrechen gegen die Menschlichkeit bereits viel zu weit gegangen, als dass es von seinem Kurs der totalen Zerstörung abgehen und auf den Weg friedlicher Kooperation zurückkehren könnte – selbst wenn es strukturell überhaupt dazu fähig wäre. Im Gegenteil: Das terroristische Herrschaftssystem des russischen Mafiastaats ist darauf angewiesen, seinen Vernichtungskurs ad infinitum fortzuführen. Denn seine ganze Existenz gründet allein auf dem Prinzip der Anwendung und Glorifizierung hemmungsloser Gewalt. Außer der permanenten Demonstration seiner äußersten Gewaltbereitschaft hat es nichts zu bieten, das seine kriminelle und parasitäre Macht legitimieren könnte.

Deshalb zeugt es von sträflicher, um nicht zu sagen: selbstmörderischer Realitätsverleugnung, wenn führende Politiker und weite Teile der Öffentlichkeit hierzulande unverdrossen darauf spekulieren, es ließe sich mit Putin und dem Kreml irgendwann über einen „gerechten Frieden“ verhandeln. Die Zerstörungsenergie Russlands und seiner globalen Verbündeten kann nur dadurch gebrochen werden, dass ihnen exemplarische militärische Niederlagen zugefügt werden.

Lesen Sie auch: Russlands Antisemitismus: Putin lässt die Maske fallen

und: Warum die Hamas vollständig besiegt werden muss

Über den Autor

Richard Herzinger

Dr. Richard Herzinger, geboren 1955 in Frankfurt am Main, lebt und arbeitet als Publizist in Berlin. Als Autor, Redakteur und politischer Korrespondent war er für "Die Zeit", den Berliner "Tagesspiegel", die Züricher "Weltwoche" und zuletzt fast 15 Jahre lang für "Die Welt" und "Welt am Sonntag" tätig. Bereits vor 25 Jahren warnte er in seinem gemeinsam mit Hannes Stein verfassten Buch "Endzeitpropheten oder die Offensive der Antiwestler" vor dem Wiederaufstieg autoritärer und totalitärer Mächte und Ideologien. Er schreibt für zahlreiche deutsche und internationale Zeitungen und Zeitschriften, unter anderem eine zweiwöchentliche Kolumne für das ukrainische Magazin Український Тиждень (Ukrainische Woche; tyzhden.ua).

8 Kommentare

  • Lieber Richard,
    danke für den weitsichtigen Text.
    Wir wünschen euch einen guten Rutsch ins neue Jahr
    Liebe Grüße
    Christiane + Wolfgang

      • Sehr geehrter Herr Herr Herzinger,- mit grosser Aufmerksamkeit habe ich Ihren Artikel erst heute gelesen. Ich habe zwei erweiternde Fragen zu Ihrer werten Einschätzung, die ich als äusserst realistisch ansehe.

        1)Ich habe einen in Deutschland lebenden russischen Bekannten. Unter Vorspielen von Interesse tausche ich mich regelmässig mit dem Herren aus. Normalerweise würde ich den Kontakt aufgrund seiner Einstellung meiden. Der Herr ist Apotheker und absolut ‚pro russisch‘ eingestellt. Er hat mir zum einen erläutert, dass in der russischen ‚Doktrin‘ verankert sei, jeglicher Angriff auf russisches Terrain sei mit ‚allen‘ Vergeltungsmassnahmen‘ auch ‚atomar‘ vergeltbar. Damit müsste dieser Fall ja auch z.Bsp. bei der Rückeroberung der Krim exemplarisch eintreten. Auch bei einer Besetzung von Teilen Polens oder des Baltikums und einer potentiellen Rückgewinnung würde nach der fatalistischen Sicht Putins dieser Fall eintreten.

        2)Ist das ganze Szenario nicht ein Nullsummenspiel? Natürlich sollte die Ukraine in vollem Umfang mit mehr Waffen und Geldern unterstützt werden. Aber gibt dies Putin nicht gerade auch die Rechtfertigung auf einer Angriff auf Europa?! Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Ist nicht jedes Verhalten des Westens bei einem von Ihnen beschriebenen Szenario ’nutzlos‘ gegen die Pläne Putins. Europa bräuchte zur Abschreckung ein umfangreiches nukleares Potential. Dies kann in dieser kurzen Zeit (gerade unter der Vermutung, dass Putin krank ist (er wird mit Kortison behandelt. Dies sieht jeder Mediziner) gar nicht mehr aufgebaut werden!

        Die USA müssten Europa schon seit zwei Jahren mit Nuklearwaffen unterstützen! Dies ist auch unter Biden nicht geschehen. Das Trump Europa fallen lassen würde ‚Amerika first‘ liegt bei einer Wiederwahl auf der Hand. Die USA unter Trump würden keinen ‚Interkontinentalen Atomkrieg‘ riskieren, um Europa zu schützen.

        Wie könnte ein Ausweg aus diesem Dilemma/ Nullsummenspiel aussehen?!

        Danke für Ihre realistische Einschätzung!

  • Sehr geehrter Herr Herziger,

    wie wahr. Leider ist die Evolutionskraft der Mennscheit begrenzt. Die Tschechoslowaken haben es in 68 und die Ukrainer in 2022 auf eigene Leib erleben müssen. Ich wünsche mir nicht dass sich Ihre These bewahrheitet, befürchte aber dass die gezielte Verbreitung von Desinformation von allen Seiten die Wahr Motive überdecken.
    Schöne Grüße aus der Rattenfängerstadt
    L. Binko

  • Leider liest sich das alles sehr plausibel. Was aber sagen Sie, Herr Herzinger, zu der atomaren Drohung, die ja immer angeführt wird? So wie Sie die Wahnhaftigkeit, komplette Irrationalität d. Kreml diagnostizieren kann man einen Aátomaren Schlag dann ja wirklich nicht ausschließen?

    • Ausschließen kann man in der Tat nicht, dass die Kreml-Führer wahnsinnig genug sein könnten, Atomwaffen einzusetzen. Doch je mehr der freie Westen vor ihren Nukleardrohungen zurückweicht, umso mehr werden die russischen Aggressoren diese als Erpressungsmittel einsetzen, um ihre verbrecherischen Ziele durchzusetzen. Und umso mehr wächst das Risiko, dass sie ihre Drohung irgendwann tatsächlich wahr machen, weil sie nicht mehr mit einer entsprechenden Reaktion der von ihnen als „schwächlich“ und „dekadent“ verachteten Demokratien rechnen. Das Risiko eines Atomkriegs wird also keineswegs dadurch vermindert, dass der Westen dem putinistischen Aggressor nachgibt – im Gegenteil, dieses Risiko wird dadurch erheblich gesteigert.

  • Sehr geehrter Herr Herzinger,

    Vielen Dank für Ihre warnende Analyse (und auch für frühere Beiträge von Ihnen, die ich nur indirekt über „Perlentaucher“ zu Gesicht bekam).

    Als französischer Staatsbürger habe ich zu meinem Leidwesen fast über das ganze Jahr 2022 zusehen und zuhören müssen wie Herr Macron, unser Staatspräsident, sich leider lächerlich machte, indem er sich – selbstverständlich vergeblich – als Verhandlungs-As gegenüber Herrn Putin selbst inszenierte, … und sich sogar , als bereits seit Monaten die Ukraine täglich durch russische Bomben und Marschflugkörper verwüstet wurde, zur Behauptung verstieg, man solle Russland „nicht erniedrigen“, und jegliche „Eskalation“ seitens der westlichen Länder vermeiden!

    Diese exemplarische Verblendung hat dazu geführt, dass Frankreich, um nur dieses Beispiel anzuführen, 2 Jahre nach Beginn der russischen „full-scale“ Aggression auf die Ukraine, immer noch nicht in der Lage ist, in eine „Kriegswirtschaft“ überzugehen, die angesichts der Kriegsgefahr, der alle europäischen Länder von Russland aus ausgesetzt sind, dringend notwendig erscheint, aber von der leider bis jetzt nur geredet wird.

    Mögen Ihre dringenden Warnungen , wie die von gleichgesinnten Experten (in Frankreich beispielsweise bei „Desk Russie“ oder dem TV-Sender „LCI“ anzutreffen) genügend Druck auf immer noch zu zögerliche Politiker in Westeuropa ausüben!

    Mit nochmaligem Dank!

    Marc Villain

Richard Herzinger

Dr. Richard Herzinger, geboren 1955 in Frankfurt am Main, lebt und arbeitet als Publizist in Berlin. Als Autor, Redakteur und politischer Korrespondent war er für "Die Zeit", den Berliner "Tagesspiegel", die Züricher "Weltwoche" und zuletzt fast 15 Jahre lang für "Die Welt" und "Welt am Sonntag" tätig. Bereits vor 25 Jahren warnte er in seinem gemeinsam mit Hannes Stein verfassten Buch "Endzeitpropheten oder die Offensive der Antiwestler" vor dem Wiederaufstieg autoritärer und totalitärer Mächte und Ideologien. Er schreibt für zahlreiche deutsche und internationale Zeitungen und Zeitschriften, unter anderem eine zweiwöchentliche Kolumne für das ukrainische Magazin Український Тиждень (Ukrainische Woche; tyzhden.ua).

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