Aufruf: Helft der Ukraine, den Kriegswinter zu überstehen

Unter dem Titel

„Jetzt ist der Moment – Der Ukraine helfen, diesen Kriegswinter zu überstehen!“

haben mehr als 70 Osteuropa-Forscher, Schriftstellerinnen, ehemalige Diplomaten und Politikerinnen, Historiker und Sicherheitsexperten, darunter Swetlana Alexijewitsch, Wolf Biermann, Karl Schlögel, Herta Müller, Gerhart Baum und Dany Cohn-Bendit (auch ich habe unterzeichnet), heute diesen eindringlichen Aufruf veröffentlicht. Einer drohenden Ermüdung bei der Unterstützung der Ukraine, gerade in diesem harten, entscheidenden Kriegswinter, muss dringend entgegegetreten werden – zumal sie auch für unsere Freiheit kämpft. Die vollständige Liste der Erstunterzeichner/innen findet sich unter dem Text.

Die Niedertracht kennt immer noch Steigerungen. Nachdem Putins Plan, die Ukraine militärisch zu zerschlagen und als eigenständige Nation auszulöschen, am entschlossenen, von der ganzen ukrainischen Gesellschaft getragenen Widerstand gescheitert ist, soll nun das Land durch die Zerstörung seiner lebenswichtigen Versorgungsstrukturen – insbesondere des Energiesystems – in die Knie gezwungen werden. Die in Tschetschenien und Syrien erprobten Methoden eines Vernichtungskriegs gegen die Zivilbevölkerung, exemplarisch an Grosny und Aleppo exekutiert, werden jetzt auf die freie Ukraine im Ganzen angewandt. Die Bombardierung der Wohnquartiere, die gezielte Zerstörung der Lebensbedingungen von Millionen Menschen, die Ermordung von Zivilisten, die Vergewaltigungen und Deportationen verstoßen bereits heute gegen die Völkermordkonvention der Vereinten Nationen.

Nun steht der Winter bevor. Schon jetzt kann man sehen, was es bedeutet, wenn Heizung, Licht und Elektrogeräte ausfallen, es kein Trinkwasser mehr gibt, Fenster nicht ersetzt werden können, wenn Städte im Dunkel versinken, Schulen und Kindergärten schließen müssen, Krankenhäuser ihre Patienten nicht mehr behandeln können und Betriebe ihre Arbeit einstellen müssen. Seit Beginn des neuerlichen russischen Angriffs mussten bereits mehr als 14 Millionen Menschen ihr Zuhause verlassen, weitere Millionen sollen zur Flucht gezwungen werden.

Gelänge es Putin, die Ukraine in den Zusammenbruch zu treiben, gerieten auch die europäische Sicherheitsordnung, die Europäische Union und das transatlantische Bündnis ins Wanken. Dann ist kein Land im ehemaligen Machtbereich der Sowjetunion mehr sicher, die antidemokratischen Kräfte bekommen Auftrieb und das Völkerrecht liegt in Trümmern. Aus diesem Grunde ist die Unterstützung der zivilen und militärischen Widerstandskraft der Ukraine nicht nur eine moralische Pflicht. Sie liegt vielmehr in unserem ureigenen Interesse.

Wie können wir dazu beitragen, damit die Ukraine diesen Winter durchstehen kann?
  • Jede/r einzelne kann für die Ukraine spenden.
  • Humanitäre Hilfsorganisationen können ihr Engagement für die Ukraine verstärken.
  • Städte können bilaterale Unterstützung für ukrainische Partnerstädte leisten.
  • Betriebe können lebenswichtig benötigtes technisches Gerät, Generatoren, Fahrzeuge, Baumaterial und Kraftstoffe bereitstellen.
  • Bundesregierung und EU müssen ihre finanzielle und militärische Hilfe aufstocken: Die Ukraine braucht dringend Nothilfe, und sie braucht nicht minder dringend moderne Waffen, um ihre Städte zu schützen und die Invasionstruppen zurückzudrängen.

Am 10. Dezember ist der Internationale Tag der Menschenrechte, begründet von den Vereinten Nationen im Jahre 1948. In diesen Tagen denken wir ganz besonders an die um ihre Würde und ihre Freiheit kämpfenden Menschen in der Ukraine und ebenso im Iran. Wir wollen an diesem Tag an die Welle der Solidarität anknüpfen, die nach Beginn der russischen Invasion durch unser Land ging. Kommunen, Medien, Stiftungen, karitative Organisationen, Unternehmen, Kulturinstitute und Hunderttausende Bürger haben reagiert auf das, was seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs undenkbar erschien. Diesen Geist der Solidarität gilt es, ungeachtet aller Härten bei uns, jetzt wiederzubeleben. Nichts wäre für die Ukraine gefährlicher als eine schleichende Ermüdung der westlichen Öffentlichkeit und Politik. Putins Katastrophenstrategie darf nicht aufgehen! Die von der ukrainischen Friedensnobelpreisträgerin Olexandra Matwijtschuk zitierte Parole „Für unsere und für eure Freiheit!“ gilt auch umgekehrt: „FÜR EURE UND FÜR UNSERE FREIHEIT!“

Spenden gehen am besten an eine der schon existierenden Initiativen oder auf den von Präsident Wolodymyr Selenskyj eingerichteten nationalen Spendenfonds UNITED24: https://u24.gov.ua/
Erstunterzeichner/innen:

Swetlana Alexijewitsch, Aleida Assmann, Jan Assmann, Martin Aust, Rüdiger Bachmann, Gerhart Baum, Marieluise Beck, Christoph Becker, Jan C. Behrends, Pamela Biermann, Wolf Biermann, Marianne Birthler, Helene v. Bismarck, Werner Bohleber, Christoph Buch, Detlev Claussen, Dany Cohn-Bendit, Dan Diner, Sabine Döring, Tom Enders, Benno Ennker, Bianka Pietrow-Ennker, Sabine Fischer, Rüdiger v. Fritsch, Ralf Fücks, Durs Grünbein, Irene Hahn-Fuhr, Rebecca Harms, Andreas Heinemann-Grüder, Ulrike Herrmann, Richard Herzinger, Christoph Heusgen, Wolfgang Ischinger, Andreas Kappeler, Daniel Kehlmann, Gerald Knaus, Gerd Koenen, John Kornblum, Remko Leemhuis, Claus Leggewie, Anna Leszczynska, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Marianne Leuzinger-Bohleber, Renate Liesmann-Baum, Wolf Lotter, Carlo Masala, Markus Meckel, Eva Menasse, Herta Müller, Jan Plamper, Ruprecht Polenz, Katharina Raabe, Jens Reich, Eva Reich, Hedwig Richter, Thomas Roth, Manfred Sapper, Gwendolyn Sasse, Stefanie Schiffer, Karl Schlögel, Peter Schneider, Bruno Schoch, Ulrich Schreiber, Richard Schröder, Martin Schulze Wessel, Linn Selle, Constanze Stelzenmüller, Sebastian Turner, Andreas Umland, Gert Weisskirchen, Michael Zürn

Über den Autor

Richard Herzinger

Dr. Richard Herzinger, geboren 1955 in Frankfurt am Main, lebt und arbeitet als Publizist in Berlin. Als Autor, Redakteur und politischer Korrespondent war er für "Die Zeit", den Berliner "Tagesspiegel", die Züricher "Weltwoche" und zuletzt fast 15 Jahre lang für "Die Welt" und "Welt am Sonntag" tätig. Bereits vor 25 Jahren warnte er in seinem gemeinsam mit Hannes Stein verfassten Buch "Endzeitpropheten oder die Offensive der Antiwestler" vor dem Wiederaufstieg autoritärer und totalitärer Mächte und Ideologien. Er schreibt für zahlreiche deutsche und internationale Zeitungen und Zeitschriften, unter anderem eine zweiwöchentliche Kolumne für das ukrainische Magazin Український Тиждень (Ukrainische Woche; tyzhden.ua).

von Richard Herzinger

Richard Herzinger

Dr. Richard Herzinger, geboren 1955 in Frankfurt am Main, lebt und arbeitet als Publizist in Berlin. Als Autor, Redakteur und politischer Korrespondent war er für "Die Zeit", den Berliner "Tagesspiegel", die Züricher "Weltwoche" und zuletzt fast 15 Jahre lang für "Die Welt" und "Welt am Sonntag" tätig. Bereits vor 25 Jahren warnte er in seinem gemeinsam mit Hannes Stein verfassten Buch "Endzeitpropheten oder die Offensive der Antiwestler" vor dem Wiederaufstieg autoritärer und totalitärer Mächte und Ideologien. Er schreibt für zahlreiche deutsche und internationale Zeitungen und Zeitschriften, unter anderem eine zweiwöchentliche Kolumne für das ukrainische Magazin Український Тиждень (Ukrainische Woche; tyzhden.ua).

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