Die Ukraine muss siegen! Und der Westen alles dafür tun

Die Soldateska des Kriegsverbrechers Wladimir Putin massakrierte in Butscha und, wovon auszugehen ist, massakriert an anderen von ihr besestzten Orten gezielt die ukrainische Zivilbevölkerung. Ideologen des Regimes kündigen offen und in monströser Detailliertheit einen Genozid an: die „Entukrainisierung“ der Ukraine mittels Massenexekutionen und „Umerziehung“. Was in Butscha geschah, entspricht den programmatischen Ankündigungen des Kreml, es erfolgte mit Vorsatz und hat Methode.

Und die Reaktion der Bundesregierung darauf? Sie weist 40 russische „Diplomaten“ aus. Wieso nur 40? Es bleiben damit noch immer 160 als Diplomaten getarnte Agenten des verbrecherischen russischen Regimes in dessen imperialer Protzbotschaft im Zentrum von Berlin tätig. Die deutsche Außenministerin kündigte zudem die Verhängung weiterer wirtschaftlicher Sanktionen gegen Russland im EU-Verbund sowie verstärkte Waffenlieferungen an. Dass letztere wesentlich weniger zaghaft sein werden als bisher, ist freilich nicht zu erwarten. Und bei den neuen Sanktionen wird das Öl- und Gasembargo wohl immer noch nicht dabei sein. Aber das spielt eigentlich schon fast keine Rolle mehr.

Denn so richtig die Forderung an die Bundesregierung ist, den Öl- und Gasimport aus Russland sofort zu beenden – genau genommen ist das inzwischen nur noch eine Nebenschauplatz. Selbst die härtesten Sanktionen werden die russische Wirtschaft allenfalls mittelfristig ruinieren können – was wahnhafte Regime wie das russische, die sich auf einer höheren Mission wähnen und im Blutrausch befinden, allerdings kaum beeindruckt. Putins Vernichtungskrieg aber kann durch ökonomische Sanktionen kurzfristig nicht beendet werden. Darüber, ob die Massenmördertruppen des Kreml weitere Massaker an ukrainischen Zivilisten verüben und ihr Programm der Ausrottung der ukrainischen Nation weiter verfolgen können, wird ausschließlich auf dem Schlachtfeld entschieden – und zwar jetzt.

Alle Waffen für die Ukraine

Die ukrainische Armee hat enorme Erfolge erzielt, die sämtliche westliche Militärexperten in Erstaunen versetzen. Aber die bisherige westliche Militärhilfe reicht bei weitem nicht aus, um die Ukraine zu befähigen, den Invasoren die entscheidenden tödlichen Schläge zu versetzen. Je länger aber der Krieg dauert, umso wahrscheinlicher ist es, dass der Aggressor wieder die Oberhand gewinnen kann, verfügt er doch über ein weit höheres Potenzial an materiellen Ressourcen als das überfallene Land. Deshalb darf Russland keine Atempause gewährt werden, die es dazu nutzen kann, zu neuen, noch grauenvolleren Offensiven auszuholen.

Statt weiterhin Illusionen über irgendwelche Verhandlungslösungen und Waffenstillstände nachzuhängen, an die sich Putins Verbrecherrregime ohnehin niemals halten würde, muss sich der Westen endlich offen zum militärischen Sieg der Ukraine als dem einzig akzeptablen Ausgang des Krieges bekennen und dieses Kriegsziel mit ganzer Kraft zu seinem eigenen machen. Doch weder der US-Präsident noch die europäischen Regierungen wagen es bisher, dies unzweideutig klar zu formulieren – aus Angst davor, Putin könnte dadurch noch mehr „provoziert“ werden (wozu denn eigentlich noch?), und aus der maßlos überzogenen Furcht heraus, es könne dadurch der Dritte Weltkrieg ausgelöst werden. Mit dieser fatalen Zurückhaltung muss endlich Schluss sein – wobei den überfälligen angemessenen Worten allerdings auch unverzüglich die entsprechenden Taten folgen müssen.

Sämtliche im Westen verfügbaren modernste Waffen und Waffensysteme müssen Kyjiw schnellstmöglich und bedingungslos zur Verfügung gestellt werden, die Rüstungsindustrien aller großen westlichen Nationen müssen unter Hochdruck produzieren, um den kontinuierlichen Nachschub zu garantieren. Für die westlichen Demokratien muss es in ihrem eigenen existenziellen Interesse jetzt die oberste Priorität sein, Putins Russland in der Ukraine ein militärisches Desaster zu bereiten.

„Wagner“ pulverisieren

Und dazu bedarf es nicht nur vervielfachter Anstrengungen zur Aufrüstung und Ausbildung der ukrainischen Armee, es erfordert auch mehr Kreativität des westlichen Bündnisses in seinem eigenen Agieren. Russland will jetzt offenbar eintausend Söldner der als „Wagner-Gruppe“ bekannten „privaten“ Schlächtertruppe in den Vernichtungskrieg gegen die Ukraine schicken. Frage: Wenn die NATO schon um keinen Preis in eine direkte Konfrontation mit den russischen Streitkräften geraten will, warum lokalisiert und bombardiert sie nicht zumindest diese Mörderbande? Die „Wagner-Gruppe“ ist keine reguläre Armee, sie ist eher eine illegale Terrormiliz wie Al-Qaida oder der IS. Wenn die NATO sie sich also vorknöpfen würde, müsste Putin erklären, wieso das eigentlich ein Angriff auf Russland sein soll, hat er doch stets behauptet und behauptet bis heute, sie habe mit der russischen Regierung nicht das Geringste zu tun.

Es bietet sich somit zwingend an, mit der Pulversisierung dieser Horde von professionellen Killern ein Exempel zu statuieren und dem Kreml damit anschaulich die überlegene militärische Macht des Westens zu demonstrieren. Wird das Putin-Regime dann wegen eliminierter „Wagner“-Söldner tatsächlich einen Weltkrieg anfangen oder nicht vielmehr doch zurückzucken? Das wird man ja sehen. Aus diffuser Angst vor der Atombombe zuzulassen, dass Putin mitten in Europa und vor den Augen des Westens einen Genozid begeht, kann und darf jedenfalls keine Option sein.

Und keinesfalls darf man es dem Kreml erlauben, seine Schattenarmee als Einwechselkontingent in die Schlacht zu werfen, während er seine angeschlagenen „regulären“ Truppen reorganisiert und aufstockt. Für den Westen darf es jetzt kein anderes akzeptables Ergebnis des Krieges mehr geben als die Befreiung des gesamten ukrainischen Territoriums von den russischen Völkermördern. Das ist der einzige Weg zu einem wirklichen Frieden. Einem abstrakten Frieden um des Friedens willen das Wort zu reden, bedeutet dagegen, dem Aggressor Vorschub zu leisten, der dieses Wort lediglich im Munde führt, um seine Gegner zu täuschen und seine Opfer in die Falle zu locken. Wenn dann der Aggressor aus der Ukraine vertrieben ist, muss sie zügig in die NATO aufgenommen werden, damit Russland es nie wieder wagt, ihre Grenzen zu überschreiten.

„Give us the tools…“

Um tatsächlich effektiv gegen Ruslands Vernichtungskrieg vorgehen zu können, muss man sich als erstes von der hierzulande lange Zeit sakrosanten Phrase verabschieden, es gebe für diese – noch immer allzu oft verniedlichend „Konflikt“ genannte – Konfrontation „keine militärische Lösung“. Ganz im Gegenteil: für den Ukraine-Krieg gibt es keine andere Lösung als die militärische, und die heißt: Die Ukraine muss ihn gewinnen und Russand muss ihn verlieren. Ließen die westlichen Demokratien zu, dass es umgekehrt kommt, würden sie sich damit nicht nur vor der Geschichte schuldig machen, sondern sich auch ihr eigenes Grab schaufeln.

„Gebt uns die Mittel, und wir erledigen Job“, hatte im Zweiten Weltkrieg Winston Churchill den USA zugerufen. Präsident Franklin D. Roosevelt verstand die epochale Herausforderung und sorgte mit massiven Waffenlieferungen dafür, dass Großbritannen Hitlers Kriegsmaschine widerstehen konnte. Der Westen steht heute gegenüber der Ukraine in derselben historischen Verantwortung. Noch kann er ihr gerecht werden. Aber die Zeit läuft ab.

Über den Autor

Richard Herzinger

Dr. Richard Herzinger, geboren 1955 in Frankfurt am Main, lebt und arbeitet als Publizist in Berlin. Als Autor, Redakteur und politischer Korrespondent war er für "Die Zeit", den Berliner "Tagesspiegel", die Züricher "Weltwoche" und zuletzt fast 15 Jahre lang für "Die Welt" und "Welt am Sonntag" tätig. Bereits vor 25 Jahren warnte er in seinem gemeinsam mit Hannes Stein verfassten Buch "Endzeitpropheten oder die Offensive der Antiwestler" vor dem Wiederaufstieg autoritärer und totalitärer Mächte und Ideologien. Er schreibt für zahlreiche deutsche und internationale Zeitungen und Zeitschriften, unter anderem eine zweiwöchentliche Kolumne für das ukrainische Magazin Український Тиждень (Ukrainische Woche; tyzhden.ua).

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Richard Herzinger

Dr. Richard Herzinger, geboren 1955 in Frankfurt am Main, lebt und arbeitet als Publizist in Berlin. Als Autor, Redakteur und politischer Korrespondent war er für "Die Zeit", den Berliner "Tagesspiegel", die Züricher "Weltwoche" und zuletzt fast 15 Jahre lang für "Die Welt" und "Welt am Sonntag" tätig. Bereits vor 25 Jahren warnte er in seinem gemeinsam mit Hannes Stein verfassten Buch "Endzeitpropheten oder die Offensive der Antiwestler" vor dem Wiederaufstieg autoritärer und totalitärer Mächte und Ideologien. Er schreibt für zahlreiche deutsche und internationale Zeitungen und Zeitschriften, unter anderem eine zweiwöchentliche Kolumne für das ukrainische Magazin Український Тиждень (Ukrainische Woche; tyzhden.ua).

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