Putins Vernichtungskrieg ist nur militärisch zu stoppen!

Das westliche Bündnis muss sich jetzt endlich der Tatsache stellen, dass es an einem Scheideweg steht: Nur seine aktive Intervention kann Putins Vernichtungskrieg gegen die Ukraine definitiv beenden und dem Kriegsverbrecher im Kreml weitere Aggressionsgelüste austreiben. Lassen es die westlichen Demokratien jedoch zu, dass die russische Soldateska ein friedliches demokratisches Land in Schutt und Asche legt und an den Ukrainern einen Völkermord begeht, laden sie Schuld und Schande von epochaler Dimension auf sich, von der sie sich politisch und moralisch nicht mehr erholen werden.

Doch besonders in der deutschen Politik und Öffentlichkeit grassiert panische Angst davor, von Putin als „Kriegspartei“ eingestuft und womöglich in einen Atomkrieg gerissen zu werden. Diese überdimensionierte Befürchtungen nutzen jedoch nur dem Aggressor. Denn die Einschüchterung der westlichen Öffentlichkeit durch das Ausstoßen maßloser Drohungen ist ein zentrales Element der Kriegsstrategie des Kreml. „Nicht die Bombe ist die Waffe, sondern die Angst vor der Bombe ist die Waffe“  hat dies die Sicherheitsexpertin Florence Gaub kürzlich in einer TV-Runde prägnant auf den Punkt gebracht. Um Putins Vernichtungskrieg zu stoppen, muss der Kreml-Autokrat jetzt im Gegenteil handfest die überlegene Kraft der westlichen Militärmacht zu spüren bekommen. Statt die Gründe aufzuzählen, warum wir uns vor Putin zu fürchten hätten, müssen wir alle Hebel in Bewegung setzen, um ihn selbst das Fürchten zu lehren – und ihm in der Ukraine eine verheerende Niederlage beizubringen, die zugleich wahrscheinlich sein Ende wäre.

Denn jenseits aller seiner Kraftposen weiß Putin nur zu gut, dass es um seine Eroberungspläne endgültig geschehen wäre, würde die NATO aller ihrer Dementis zum Trotz doch noch in den Krieg eingreifen. Es war daher ein schwerer strategischer Fehler der westlichen Staatschefs und des atlantischen Bündnisses, diese Option von Anfang an kategorisch auszuschließen. Putin zumindest in der Unsicherheit zu halten, ob er bei Überschreitung gewisser Grenzen der Kriegsführung mit westlichen Gegenschlägen zu rechnen hätte, hätte den ukrainischen Verteidigern einen wichtigen kriegspsychologischen Vorteil verschafft.

Will die demokratische Welt die von den russischen Invasoren verübten schlimmsten Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Europa seit 1945 wirklich länger hinnehmen, ohne selbst militärisch aktiv zu werden oder zumindest ihr Engagement an der Seite der mit bewunderungswürdigem Heldenmut und erstaunlicher Effektivität kämpfenden ukrainische Armee erheblich zu verstärken? Die bisherigen Waffenlieferungen reichen jedenfalls ebenso wenig wie die Sanktionen aus, um Putins Invasion gänzlich zum Erliegen zu bringen. Und trotz der bemerkenswerten Erfolge der ukrainischen Streitkräfte kann man nicht voraussetzen, dass sie diese Aufgabe allein bewältigen können. Die bisher an den Tag gelegte Zurückhaltung des Westens trägt angesichts der wachsenden russischen Kriegsgräuel so immer mehr Züge unterlassener Hilfeleistung.

Totaler Vernichtungskrieg

Denn machen wir uns nichts vor: Putin will seinen Auslöschungsfeldzug gegen das ukrainische Volk mit gesteigerter Vernichtungskraft bis zur letzten Konsequenz, der totalen Verwüstung des von ihm überfallenen Landes, fortsetzen – womöglich unter Einsatz von Chemie- und anderen Massenvernichtungswaffen. Davon, dass er sich seiner Nomenklatura sowie der gleichgeschalteten russischen Öffentlichkeit als Triumphator und unfehlbarer Führer präsentieren kann, hängt nämlich der Erhalt seiner Macht ab, die auf der Selbstermächtigung zur Anwendung unbegrenzter gesetzloser Gewalt gründet. Deshalb braucht Putin den permanten Krieg und den Nimbus der Unbesiegbarkeit seiner Kriegsmaschine. Damit aber bietet er dem Westen jetzt eine große Chance, ihn zu Fall zu bringen. Es dürfte frelich zugleich die allerletzte Chance sein, ihn zu stoppen, bevor er zum offenen Krieg gegen den Westen übergeht. Denn niemand sollte sich der Illusion hingeben, dass er sich mit der Zerstörung der Ukraine zufrieden geben wird. Putin wird das Nichteingreifen des Westens vielmehr als Bestärkung seiner Überzeugung auffassen, dass der Westen im Ernstfall innerlich nicht mehr bereit und fähig sei, einen Krieg durchzustehen.

Erleidet Putin in der Ukraine dagegen vor den Augen der Welt eine schmachvolle Niederlage, droht ihm der Kollaps seines Herrschaftssystems. Funktioniert es doch nach demselben Prinzip wie das der Mafia: So lange der Boss der Bosse seinen Unterbossen mittels extremer Gewaltbereitschaft garantieren kann, dass sie ungestört ihren kriminellen Geschäften nachgehen und sich ihre Taschen mit sagenhaften Reichtümern vollstopfen können, beugen sie sich seinem Willen. Erweist er sich aber als schwach und verwundbar, werden sie ihn beseitigen. Darauf, Putin dieses Schicksal zu bereiten, sollten der Westen und die NATO jetzt gezielt und konsequent hinwirken.

Putins Streitmacht ist angeschlagen und es hat sich damit vor aller Welt gezeigt, dass sie sogar von einer nominell weit unterlegene Armee wie der ukrainischen an den Rand des Zusammenbruchs gebracht werden kann. Unter den russischen Soldaten sind bereits deutliche Anzeichen von Demoralisierung erkennbar. Das sollte den Westen jedoch nicht etwa dazu verleiten, sich passiv zurückzulehnen und darauf zu warten, dass das partielle Scheitern des russischen Angriffskriegs in ein vollständiges Fiasko übergeht. Im Gegenteil: Gerade jetzt sollte die transatlantische Allianz die Schwachstellen der russischen Kriegslogistik aufspüren und ihr durch gezielte Schläge den Rest geben.

Putins „Wunderwaffen“

Dies kann durchaus unterhalb der Schwelle einer offiziellen NATO-Operation geschehen. Die Einrichtung einer Flugverbotszone über der Ukraine etwa kann auch durch die Lieferung der dafür notwendigen Technologie und der Entsendung von Personal zu ihrer Installierug und Bedienung erfolgen. Wenn sich die NATO als Ganzes nicht auf ein Eingreifen einigen kann, könnte dies eine Koalition der Willigen unter Führung der westlichen Atommächte übernehmen. Entscheidend ist nicht, wer die russischen Kampfflugzeuge vom Himmel holt, sondern, dass sie so schnell und effektiv wie möglichvom Himmel geholt werden. Jeder Staat, der von der Ukraine dazu aufgefordert wird, hat das Recht, auf ukranischem Territorium zu agieren und dazu beizutragen, den ukrainischen Luftraum zu schützen. Denn, wie Wesley Clark, der ehemalige Oberkamndierende der US-Armee in Europa, den Warnern vor dem russischen Zorn über eine Schließung des russischen Luftraums nachdrücklich in Erinnerung gerufen hat: Es handelt sich um den ukrainischen Luftraum und nicht etwa um russischen.

Auf keinen Fall aber darf sich das westliche Allianz länger von Putin vorschreiben lassen, wie weit sie bei seinem Vorgehen gegen seinen Vernichtungskrieg gehen darf. Und sie darf es nicht ihm überlassen, von sich aus zu entscheiden, wann sie zu weit gegangen ist und daher Zielscheibe seiner Angriffe wird. Vom Propagandageklingel des Kreml, zuletzt seinem Prahlen mit der angeblich erstmals eingesetzten, vermeintlich unangreifbaren Hyperschallrakete, darf sich niemand mehr einschüchtern lassen. So wenig wie einst Hitlers „Wunderwaffen“ an der militärischen Überlegenheit der Alliierten im Zweiten Weltkrieg etwas ändern konnten, so wenig können dies die ominösen Superwaffen der Führer-Reinkarnation Putin an der objektiven Übermacht der NATO.

Doch in Deutschland wird jeglicher Gedanke an ein militärisches Eingreifen durch das vorherrschende Dogma erstickt, jeder direkte Angriff des Westens auf Putin werde sogleich den Weltkrieg auslösen und damit das Ende der Menschheit bedeuten. So flüchtet man sich hierzulande in eine Art Angststarre, die aber nur schwach den dahinterstehenden ebenso egoistischen wie illusionären Wunsch überdeckt, von dem nur wenige hundert Kilometer entfernten russischen Vernichtungskrieg möglichst nicht tangiert zu werden. So hoch zu schätzen und berührend die Solidarität und humanitäre Hilfsbereitschaft großer Teile der deutschen Gesellschaft gegenüber den Ukrainnerinnen und Ukrainern ist, und auch wenn diesen nichts mehr zu wünschen ist als ein schnellstmöglicher Frieden – wird die Forderung nach dem Ende des Krieges von den konkreten Umständen des russischen Vernichtungskriegs abgelöst und in einen allgemeinen Appell zum Frieden auf Erden überführt, kommt dabei meist eine Relativierung des Täter-Opferverhältnisses heraus

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„Wir alten Europäer aber, die den Krieg verabscheuen, wir müssen leider selbst gefährlich werden, um den Frieden zu wahren.“

Manès Speber, Schriftsteller und Philosoph, in seiner Dankesrede zur Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels 1983

In dieser abstrakten Friedensrhetorik droht unterzugehen, um was es in der Ukraine tatsächlich geht: um die Verteidigung der elementaren Prinzipien der zivilisierten Menschheit, die nicht für einen Frieden um jeden Preis aufgegeben werden dürfen. Die Verwischung drückt sich nicht zuletzt in der neutralistischen und vernebelnden Sprache aus, die in weiten Teilen der Medien, aber auch der Politik und Gesellschaft vorherrscht. Da ist etwa permanent von einem „Krieg in der Ukraine“ die Rede, statt, wie es sich in Wahrheit verhält, von einem Angriffs- und Vernichtungskrieg Russlands gegen die Ukraine – gerade so, als sei „der Krieg“ über die Ukraine gekommen wie eine Naturgewalt, und als sei er nicht das Werk eines eindeutig identifizierbaren, konkreten Aggressors. Da wird gehofft und gewünscht, dass „der Krieg schnellstens enden“ möge, statt klar auszusprechen, wer ganz allein diesen Krieg ausgelöst hat und wer allein mit aller Kraft dazu gezwungen werden muss, ihn zu beenden.

Die Bundesregierung scheint sich indes in einer geradezu lethargischen Abwartehaltung einzubetonieren, die angesichts der drängend dramatischen Situation zunehmend merkwürdig unbeteiligt wirkt. Waffenlieferungen erfolgen nur zögerlich oder kommen nicht an, und nicht einmal zu einem Öl- und Gasembargo gegen Russland kann sich Berlin durchringen – und sieht sich daraufhin prompt neuen Erpressungsmanövern Putins ausgesetzt. Im EU-und NATO-Verbund blockiert Berlin weitergehende Sanktionen. Bundeskanzler Scholz telefoniert lieber mit Putin und „drängt“ laut seinem Pressesprecher dem Kreml-Herrn gegenüber darauf, „dass es so schnell wie möglich zu einem Waffenstillstand, zu einer Verbesserung der humanitären Lage und zu Fortschritten bei der Suche nach einer diplomatischen Lösung des Konflikts kommt.“

Schon diese Wortwahl ist völlig deplatziert und nährt den Verdacht, dass die deutsche Außenpolitik bereits wieder dabei ist, in die alten Bahnen der beschwichtigenden Passivität gegenüber dem russischen Aggressor zurückzufallen. Überhaupt von einem „Konflikt“ in oder um die Ukraine zu reden, die einer mit Russland ausgehandelte „Lösung“ bedürfe, bedeutet, dem Narrativ des Kreml auf den Leim zu gehen. Und glaubt Scholz allen ernstes noch immer, dass Putin an einer „dipolmatischen Lösung“ interessiert sei? Verhandlungen pflegt der Kreml-Herrscher nur zum Schein zu führen, um Zeit zur Reorganisation seiner Kriegsmaschine zu gewinnen. Waffenstillstände schließt er nur, um den Westen in die Irre zuführen und sie im nächsten Moment zu brechen. Seine Soldateska beschießt Flüchtende in den Fluchtkorridoren oder raubt sie aus. Alles das konnte man schon genauestens an der russischen Vorgehensweise in Syrien studieren. Ein Regime wie das Putins, das keinerlei Werte, Normen und Regeln anerkennt, sondern nur das „Recht“ der nackten Gewalt, wird zu ernsthaften Verhandlungen allenfalls bereit sein, wenn ihm klar gemacht wird, dass es militärisch keine Aussicht auf Erfolg mehr hat

Abschreckung und Risiko

Aber würde der Massenmörder im Kreml auf eine NATO-Intervention in der Ukraine denn nicht tatsächlich mit brutalen Gegenangriffen auf die transatlantische Allianz reagieren, könnte er sogar einen Dritten Weltkrieg mit Atomwaffen vom Zaun brechen? Nun, Putin selbst wie seiner Kamarilla dürfte klar sein, dass Russland nach einem nuklearen Schlagabtausch nicht mehr existieren würde, Es ist kaumvorstellbar, dass alle Träger der Macht des Kreml Putin in einen solchen erweiterten Selbstmord folgen würden, wenn sich dieser dazu entschließen sollte. Völlig auszuschließen ist bei diesem von ideologischem Allmachtswahn besesssenen, zunehmend paranoiden Autokraten indes gar nichts. Doch wohin führt eine Logik, derzufolge der Westen jedes Mal zurückschrecken muss, wenn Putin mit der Atombombe droht? Das wäre nichts anderes als ihm einen Freifahrtschein für jede Art von Vergewaltigung des internationalen Rechts auszustellen und käme einer vorauseilenden Kapitulation des Westens vor den Vorherrschftsambitionen des terroristischen Kreml-Staats gleich.

Die westlichen Staatenlenker halten es jedoch für weiser und sicherer, eine „weitere Eskalation“ in der Ukraine um jeden Preis zu vermeiden und sich statt dessen auf die verstärkte Sicherung der NATO-Territoriums zu beschränken, um Russland von einem Angriff darauf abzuschrecken. Doch vergisst man dabei, dass auch Abschreckung jederzeit mit einem hohen Risiko verbunden ist. Denn sie basiert auf der glaubhaften Androhung ultimativer Gewalt im Falle eines Angriffs des Gegners. Wenn der westlichen Allianz aber bereits das Risiko einer begrenzten Intervention in der Ukraine zu hoch ist, wie sicher kann man dann sein, dass Russland diese ultimative Drohung ernst nimmt und nicht dennoch NATO-Territorium angreift? Immerhin hat ja der Kreml bereits ultimativ den Rückzug der NATO auf ihr Gebiet von 1997 gefordert. Verzichtet ds westliche Bündnis auf ein Eingreifen in der Ukraine, verlagert sie das Risiko nur auf einen späteren Zeitpunkt – und erhöht es damit nur noch.

Es muss endlich allen klar werden: Lässt man zu, dass Putin die Ukraine auslöscht, wird er vor dem Westen nicht Halt machen. Die auf russischen Raketen, Panzern und Flugzeugen angebrachte Parole „Nach Berlin“ sollte auch noch dem letzten deutschen Verdrängungskünstler zu denken geben. Dass Russland die europäische Menschenrechtskonvention gekündigt hat, ist ein weiteres Indizien dafür, dass es auf seinem Kriegskurs alle Brücken hinter sich abzubrechen bereit ist. In der Ukraine wird nicht nur über ihre Zukunft entschieden, sondern auch über die der europäischen Friedensordnung, der Geltung des internationalen Rechts und somit der zivilisierten Menschheit insgesamt. Putins Ribbentrop, der Außenminister Lawrow, hat das von seiner Seite her verdeutlicht, als er erklärte, dies sei ein „schicksalhafter, epochaler Moment in der modernen Geschichte“, in dem die Weichen dafür gestellt würden, „wie die Weltordnung aussehen wird.

Falsche Friedensfreunde

Je länger der Krieg dauert, desto lauter artikulieren sich in Deutschland jedoch Stimmen, die dem Opfer des russischen Vernichtungskriegs die Veranwortung für dessen exzessive Schrecken in die Schuhe schiebt. Als mahnende Moralisten und Militarismus-Kritiker drapierte intellektuelle Bankrotteure wie der Dampfplauderer Richard David Precht, der in der deutschen Öffentlichkeit irrigerweise für einen Philosophen gehalten wird, und die fossile Oberkommandierende a.D. des deutschen Feminismus, Alice Schwarzer, bezichtigen den ukrainischen Präsidenten, verantwortungslos zu handeln, indem er sein Volk einen aussichtslosen Kampf weiterführen lasse und damit unnötige Opfer und vermeidbares Leid provoziere. Ihre ignorante Morallektion läuft auf die zynische Forderung hinaus, die Ukrainer sollten sich gefälligst der Macht ergeben, die offen ihre Vernichtung angekündigt hat. Mit anderen Worten: Die Ukrainer sollen ihre Menschenwürde dafür aufgeben, dass im ignorante deutsche Alleswisser im komfortablen Koordinatensystem ihres selbstgefälligen Pseudopazifismus verharren können.

Unterdessen gefallen sich vermeintliche Militärexperten – auffällig oft penssionierte Bundeswhr-Generäle wie der ehemalige militärpolitische Merkel-Berater Erich Vad – in TV-Talkshows darin, die russische Armee regelrecht stark zu reden und die Neutralitätserklärung der Ukraine als einzigen Ausweg aus dem Krieg anzupreisen – wobei sie sich darüber den Kopf zerbrechen, wie man dem Aggressor eine „gesichtswahrenden“ Kompromiss offerieren könnte. Dass die Expertise von Leuten wie Vad, die acht Jahre lang bei der Einschätzung der Absichten Putins auf der ganzen Linie versagt haben, hierzulande nach wie vor hoch gehandelt wird, ist unglaublich genug. Jetzt aber maßen sie sich auch noch an, der Ukraine zu erklären, was für sie das Beste sei. Dabei zeugt ihr Schwadronieren über die ukrainische „Neutralität“ nur von ihrer Ahnungslosigkeit und anhaltenden Naivität.

Unter den gegebenen Verhältnissen würde „Neutralität“ für die Ukraine in Wahrheit nichts anderes bedeuten als ihre Auslieferung an die Willkür des neoimperialen Russland. Putin und seine Spießgesellen haben oft genug klargestellt, das sie unter „Neutralität“ nicht anderes verstehen als die Unterwerfung der Ukraine unter den Vorherrschaftsanspruch Moskaus. Das gilt auch für den Fall, dass die USA, Großbritannien oder wer auch immer eine „Garantieerklätrung“ für die territoriale Unversehrtheit der Ukraine abgeben würde. Mit solchen Absichtserklärungen hat die Ukraine bereits genügend schlechte Erfahrungen gemacht. Und schon gar mit der Bereitschaft des Kreml, sich an Verträge zu halten. „Gibt es denn überhaupt noch irgendwelche Abkommen mit Russland, die das Land noch nicht verletzt hat?“, fragt zu Recht der ukrainische Menschenrechtler Mystoslaw Marynowytsch. „Worauf sollte das Vertrauen gründen, dass Russland sich diesmal an ein neues Abkommen halten würde? Ein Lügenregime kann schließlich immer, wenn es ihm passt, irgendeinen Grund erfinden, warum es gezwungen ist, auch dieses Abkommen aufzukündigen.“

Die einzige akzeptable Ausweg aus dem Krieg ist die bedingunslose Einstellung der russischen Aggression und der vollständige Abzug von Putins Invasionsarmee vom gesamten ukrainischem Territorium. Kurz: Der Sieg der Ukraine. Selbst aber wenn sich die ukrainische Regierung gezwungen sehen sollte, Zugeständnisse an den Aggressor zu machen, um ihre Bevölkerung vor der völligen Vernichtung zu retten, könnten diese allenfalls temporären Charakter haben. Niemals wird das ukrainische Volk seine Souveränität und das ihm geraubte Territorium auf Dauer aufgeben. Und nur wenn die territoriale Integrität und staatliche Souveränität der Ukraine vollständig wiederhergestellt wird, hat die europäische Friedensordnung noch Aussicht auf Bestand. Würden die europäischen Demokratien irgendein anderes, durch den russischen Vernichtungskrieg erzwungenes Resultat akzeptieren, würde das den politisch-moralischen Kollaps der europäischen Demokratien nach sich ziehen. Damit sie den Rückzug antreten, müssen Putin und seine Handlanger jedoch zu der Einsicht gezwungen werden, dass ihr Kriegskurs auf ganzer Linie gescheitert ist. Und zwar mit militärischer Gewalt,

Lesen Sie dazu auch meinen Artikel auf „Zeit Online“: Eingreifen, bevor es zu spät ist.

Über den Autor

Richard Herzinger

Dr. Richard Herzinger, geboren 1955 in Frankfurt am Main, lebt und arbeitet als Publizist in Berlin. Als Autor, Redakteur und politischer Korrespondent war er für "Die Zeit", den Berliner "Tagesspiegel", die Züricher "Weltwoche" und zuletzt fast 15 Jahre lang für "Die Welt" und "Welt am Sonntag" tätig. Bereits vor 25 Jahren warnte er in seinem gemeinsam mit Hannes Stein verfassten Buch "Endzeitpropheten oder die Offensive der Antiwestler" vor dem Wiederaufstieg autoritärer und totalitärer Mächte und Ideologien. Er schreibt für zahlreiche deutsche und internationale Zeitungen und Zeitschriften, unter anderem eine zweiwöchentliche Kolumne für das ukrainische Magazin Український Тиждень (Ukrainische Woche; tyzhden.ua).

3 Kommentare

  • Danke für diesen Artikel! Meiner Meinung nach könnte man Putin ebenfalls einen strategischen Fehler unterstellen, weil er diese ultimative Drohung bereits jetzt in den Raum gestellt hat. Ab jetzt hängt sie doch immer über unseren Köpfen und nach der Logik, könnte Putin, doch ganz Europa unterwerfen.
    Wobei natürlich die psychologische Schlagkraft aktuell wirkt …aber wir sollten der Gesellschaft klar machen, dass das Wort „Atomkrieg“ durch „Selbstzerstörungskrieg“ ersetzt werden sollte, dann steht die Absurdität dieser Drohung im Mittelpunkt und nicht die Angst!.

  • Danke für diesen Artikel!
    Es ist zu wünschen, dass die Argumentation in den Ohren relevanter Entscheidungsträger vernommen wird!

Richard Herzinger

Dr. Richard Herzinger, geboren 1955 in Frankfurt am Main, lebt und arbeitet als Publizist in Berlin. Als Autor, Redakteur und politischer Korrespondent war er für "Die Zeit", den Berliner "Tagesspiegel", die Züricher "Weltwoche" und zuletzt fast 15 Jahre lang für "Die Welt" und "Welt am Sonntag" tätig. Bereits vor 25 Jahren warnte er in seinem gemeinsam mit Hannes Stein verfassten Buch "Endzeitpropheten oder die Offensive der Antiwestler" vor dem Wiederaufstieg autoritärer und totalitärer Mächte und Ideologien. Er schreibt für zahlreiche deutsche und internationale Zeitungen und Zeitschriften, unter anderem eine zweiwöchentliche Kolumne für das ukrainische Magazin Український Тиждень (Ukrainische Woche; tyzhden.ua).

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