„No to russian law“: Georgien und der Krieg des Kreml

Zehntausende demonstrieren derzeit in Georgien gegen ein Gesetz nach russischem Muster, mit dem die kremlfreundliche Regierung die demokratische Zivilgesellschaft ausschalten und die Integration des Landes in die Europäische Union torpedieren will. Weltweit finden Solidaritäskundgebungen mit dem georgischen Widerstand gegen den russischen Aggressor statt. Auch in Berlin versammelten sich am 28.4.Unterstützer/innen des georgischen Freiheitskampfs zu einer Kundgebung. Dort hielt ich die folgende kurze Rede zum hybriden Krieg gegen Georgien im Kontext der globalen Kriegsführung des Kreml.

„Russian law“, das russische Gesetz oder Recht, zu dem wir hier heute laut „Nein“ sagen, steht – über seine aktuelle Bedeutung im Kontext Georgiens hinaus  – in Wirklichkeit für die grenzenlose Herrschaft des Unrechts, die terroristische Gewaltherrschaft einer als „Staat“ getarnten, nach innen wie außen mörderischen Ausgeburt des organisierten Verbrechens.

Gegen die Ukraine führt dieser russische Terrorstaat einen Vernichtungskrieg in der offen erklärten genozidalen Absicht, die ukrainische Nation auszulöschen. Doch wie sich derzeit in Georgien dramatisch zeigt, wendet der Kreml auch indirekte Methoden an, um ihm unliebsame Staaten und Völker zu zerstören oder seiner Willkür zu unterwerfen: indem er sie mit Desinformations-, Spionage- und Sabotagenetzwerken durchsetzt, um diese sukzessive an den Schalthebeln der Macht zu platzieren.

Auch Deutschland ist längst Zielobjekt dieser hybriden Form der russischen kriegerischen Aggression. Wie jetzt schwarz auf weiß ans Licht gekommen ist, wurde das Drehbuch für den Aufstieg der sogenannten „Alternative für Deutschland“ in Moskau geschrieben. Die AfD ist allerdings nicht die einzige politische Kraft, die im Auftrag des Kreml die Widerstandskräfte der deutschen Demokratie gegen den russischen Neototalitarismus unterminiert. Auch die Partei Die Linke und vor allem die neu formierte „Bewegung SahraWagenknecht“ dienen diesem Zweck. Generell ist von dem Ausmaß der Unterwanderung der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Eliten durch Einflussagenten des moskowitischen Aggressionsapparats bisher allenfalls die Spitze des Eisbergs sichtbar geworden.

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No to russian law! Meine Ansprache bei der Solidaritätskundgebung mit Georgien auf dem Bebelplatz in Berlin

Doch noch immer klammern sich die deutsche Politik und Öffentlichkeit an die Hoffnung, eine „Eskalation“ vermeiden zu können, indem sie der Ukraine überlebensnotwendige Waffensysteme wie den „Taurus“-Marschflugkörper verweigern und damit angeblich verhindern, zur „Kriegspartei“ zu werden.

Wer so denkt, hat das Wesen des russischen Regimes noch immer nicht begriffen. Wer vor dessen Drohgebärden zurückschreckt und sich bei seiner Bekämpfung selbst öffentlich rote Linien setzt, um es nicht zu „provozieren“, stachelt es im Gegenteil nur zu immer brutalerer Eskalation an.

Immerhin: Die vom US-Kongress nach monatelanger Blockade endlich freigegebenen 61 Milliarden für Militärhilfe geben der Ukraine Hoffnung, dem verschärften Vernichtungsfuror des Aggressors zumindest über diesen Sommer hinweg standhalten zu können. Aber diese Hilfe ist bei weitem nicht ausreichend, um der Ukraine den Sieg über den Aggressor zu ermöglichen. Alles andere als eine vollständige Niederlage Russlands in der Ukraine aber würde bedeuten, dass das Kreml-Regime seinen Krieg im nächsten Schritt auf  NATO-Staaten ausweiten wird. Denn wie es offen verkündet, betrachtet es den Krieg gegen die Ukraine nur als die Auftaktschlacht seines großen Kriegszugs zur Zerstörung der demokratischen Zivilisation insgesamt. Im Bündnis mit China, Iran und Nordkorea will Putins Russland die regelbasierte globale Ordnung im Ganzen zerschlagen, um sie durch das uneingeschränkte Recht des Stärkeren zu ersetzen.

Wir sind bereits im Krieg

Allerdings steht es den Europäern nicht zu, sich allzu laut über ausbleibende Waffenhilfen für die Ukraine aus den USA zu beklagen. Bisher nämlich  machen ihre Lieferungen beschämenderweise nur einen Bruchteil dessen aus, was Washington bereitgestellt hat. Und angesichts  der massiv verstärkten Terrorbombardements, die auf die Zerstörung der zivilen Infrastruktur und damit der Lebensgrundlagen des ukrainischen Volkes zielen, zögert Europa schändlicherweise noch immer, der Ukraine sämtliche zur Abwendung dieses Schicksals benötigten militärischen Mittel zur Verfügung zu stellen.

Der Westen muss endlich begreifen, dass wir uns bereits im Krieg befinden. Diesen Krieg nämlich führt Putins Russland längst gegen uns, auch wenn wir es nicht wahrhaben wollen. Und es wird niemals freiwillig davon ablassen, denn Krieg und Vernichtung sind sein eigentlicher und einziger Daseinszweck. Statt sich der selbstmörderischen Illusion hinzugeben, mit einer solchen Macht könne über einen “gerechten Frieden“ verhandelt werden, müssen die westlichen Demokratien endlich und unverzüglich alle ihre Ressourcen mobilisieren, um diesen Todfeind der zivilisierten Menschheit zu besiegen.

Wer klar ausspricht, dass wir im Krieg sind, tut dies nicht – wie verlogene vermeintliche Friedensfreunde in denunziatorischer Absicht unterstellen -, weil er oder sie sich Krieg wünscht. Sondern im Gegenteil, weil diese realistische Einschätzung die Voraussetzung dafür ist, einen noch viel größeren Krieg zu verhindern. Manès Sperber, der große antitotalitäre Schriftsteller und humanistische Denker, hat 1983 unser Dilemma mit Blick auf die sowjetische Bedrohung folgendermaßen auf den Punkt gebracht:

„Wir alten Europäer aber, die den Krieg verabscheuen, wir müssen leider selbst gefährlich werden, um den Frieden zu wahren.“

Georgischer Protest vor der „Botschaft“ des russischen Aggressors in Berlin

Über den Autor

Richard Herzinger

Dr. Richard Herzinger, geboren 1955 in Frankfurt am Main, lebt und arbeitet als Publizist in Berlin. Als Autor, Redakteur und politischer Korrespondent war er für "Die Zeit", den Berliner "Tagesspiegel", die Züricher "Weltwoche" und zuletzt fast 15 Jahre lang für "Die Welt" und "Welt am Sonntag" tätig. Bereits vor 25 Jahren warnte er in seinem gemeinsam mit Hannes Stein verfassten Buch "Endzeitpropheten oder die Offensive der Antiwestler" vor dem Wiederaufstieg autoritärer und totalitärer Mächte und Ideologien. Er schreibt für zahlreiche deutsche und internationale Zeitungen und Zeitschriften, unter anderem eine zweiwöchentliche Kolumne für das ukrainische Magazin Український Тиждень (Ukrainische Woche; tyzhden.ua).

von Richard Herzinger

Richard Herzinger

Dr. Richard Herzinger, geboren 1955 in Frankfurt am Main, lebt und arbeitet als Publizist in Berlin. Als Autor, Redakteur und politischer Korrespondent war er für "Die Zeit", den Berliner "Tagesspiegel", die Züricher "Weltwoche" und zuletzt fast 15 Jahre lang für "Die Welt" und "Welt am Sonntag" tätig. Bereits vor 25 Jahren warnte er in seinem gemeinsam mit Hannes Stein verfassten Buch "Endzeitpropheten oder die Offensive der Antiwestler" vor dem Wiederaufstieg autoritärer und totalitärer Mächte und Ideologien. Er schreibt für zahlreiche deutsche und internationale Zeitungen und Zeitschriften, unter anderem eine zweiwöchentliche Kolumne für das ukrainische Magazin Український Тиждень (Ukrainische Woche; tyzhden.ua).

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