Russland intensiviert seinen systematischen Beschuss der Zivilbevölkerung und zivilen Infrastruktur der Ukraine immer weiter. Das Ziel dieser verbrecherischen Kriegsführung ist die Auslöschung der Lebensgrundlagen der ukrainischen Nation – und somit nichts anderes als ein Völkermord. Doch statt dass Deutschland sämtliche ihm zur Verfügung stehenden Mittel einsetzt, um dieses Jahhundertverbrechen mitten in Europa zu stoppen, zeichnet sich hierzulande der schleichende Verrat an dem Land ab, das nicht nur um seine Existenz, sondern auch für den Fortbestand der Freiheit in Europa insgesamt kämpft,
Der vor allem von den Kreml-Agenturen AfD und BSW auf die Bundesregierung und die demokratischen Parteien ausgeübte Druck, die Unterstützung für die Ukraine einzustellen, hat sich seit den Landtagswahlen in Sachsen,Thüringen und Brandenburg massiv verstärkt. Und er zeigt Wirkung: Bundeskanzler Scholz beeilte sich nach dem Wahldebakel der SPD in Sachsen und Thüringen mit der Ankündigung, es müssten jetzt die Bemühungen um einen Friedensschluss verstärkt werden, und es müsse zu einer Friedenskonferenz unter Beteiligung Russlands kommen. Einem Bericht der italienischen „Repubblica“ zufolge plant Scholz allen Ernstes, als „Friedenskanzler“ in die Geschichte einzugehen und setzt dabei darauf, dass die Ukraine Gebietsabtretungen hinnehmen werde. Kategorisch hat er zudem erneut bekräftigt, auf keinen Fall Taurus-Marschflugkörper liefern zu wollen, die von der Ukraine dringendst benötigt werden, um Raketenabschussbasen des Aggressors auf russischem Territorien auszuschalten.
Bei seinem Doppelspiel, offiziell seine Unterstützung für die Ukraine zu bekraftigen, „so lange dies nötig“ sei (ohne zu präzisieren, ab welchem Punkt er sie nicht mehr für nötig halten würde), zugleich aber mit einem faulen Frieden mit dem Aggressor zu liebäugeln, beruft sich Scholz ausgerechnet auf seine angebliche Übereinstimmung mit dem ukrainischen Präsidenten. Doch es stimmt zwar, dass Wolodymyr Selenski in jüngster Zeit vermehrt von der Perspektive eines baldigen Friedens spricht, und dass auch er bei einer zweiten Runde der Friedenskonferenz, die erstmals im Juni in der Schweiz getagt hat, die Anwesenheit Russlands wünscht. Doch betont er stets, dass die Voraussetzung dafür, Russland überhaupt zu ernsthaften Gesprächen zu zwingen, entscheidende militärische Erfolge der Ukraine sind. Dieser Teil, der einen Unterschied ums Ganze ausmacht, fehlt bei Scholz bezeichnenderweise.
Prinzipienlose Demokraten
Doch auch wer auf die CDU/CSU baut, wenn es um Standfestigkeit bei der Unterstützung der Ukraine geht, macht sich Illusionen. Nachdem Friedrich Merz und die Bundesführung der CDU lange Zeit massiv auf die deutliche Ausweitung der Militärhilfe für Kyjiw, die Lieferung von Taurus eingeschlossen, gedrängt hatte, ist ihnen das jetzt, da ihre Machtposition in Ostdeutschland auf dem Spiel steht, plötzlich nicht mehr so wichtig. Verfolgt doch ihr für seine devote Haltung gegenüber Putin berüchtigter sächsischer Ministerpräsident Michael Kretschmer ebenso wie der thüringische CDU-Chef Mario Voigt die gegenteilige Linie: In grundsätzlicher Übereinstimmung mit AfD und Sahra Wagenknecht wollen sie Waffenlieferungen an die Ukraine zurückfahren, um so schnell wie möglich mit dem Kriegsverbrecher im Kreml „verhandeln“ zu können. Wenn Kretschmer und Voigt jetzt mit dem BSW koalieren sollten, würde somit letztlich nur zusammenwachsen, was zusammengehört. Die CDU-Bundesführung aber sieht dem den Grundwerten der deutschen Christdemokratie eklatant widersprechenden Treiben ihrer ostdeutschen Parteifrende tatenlos zu. Ihren Unvereinbarkeitsbeschluss bezüglich einer Zusammenarbeit mit AfD und Linkspartei will sie absurderweise nicht auf die Kreml-Kreatur BSW ausweiten. Einzelne Unionspolitiker wie der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter, die dieser prinzipienlosen Haltung offen widersprechen, werden innerparteilich marginalisiert, wenn nicht stigmatisiert.
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Polskie Radio hat mich in seinem deutschsprachigen Programm zu dem Triumph der Kreml-Parteien bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen sowie zu den Konsequenzen befragt, die das insbesondere für die künftige deutsche Unterstützung für die Ukraine haben wird. Die matten Reaktionen des Großteils der demokratischen Öffentlichkeit und Politiker/innen auf die massiv verstärkte Propagandaoffensive der rotbraunen Fünften Kolonne Moskaus lassen diesbezüglich nichts Gutes erahnen. (Das Interview wurde vor der Landtagswahl in Brandenburg geführt, doch deren Ergebnis haben meine Einschätzungen nur bestätigt.) Hören Sie das Interview hier:
Schwindende Bereitschaft zum Widerstand gegen Antidemokraten – Deutsche Redaktion (polskieradio.pl)
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In der politischen und medialen Öffentlichkeit setzt sich jetzt fast unisono das fadenscheinige Erklärungsmuster durch, nach dem sich die etablierten demokratischen Parteien und insbesondere die Ampelregierung das Erstarken von AfD und BSW sowie die ihm zugrundeliegende „Unzufriedenheit“ in Ostdeutschland selbst zuzuschreiben hätten. Habe man doch zu lange an den tatsächlichen Bedürfnisen der deutschen Bevölkerung insgesamt, insbesondere aber an den „Befindlichkeiten“ in Deutschlands Osten vorbei regiert. Doch dieses Einstimmen in die ewige ostdeutsche Opferlegende ist der erste Schritt zur Kapitulation vor antidemokratischen Ideologien. Denn keine noch so großen Versäumnisse einer demokratischen Regierung können jemals eine Rechtfertigung oder auch nur einleuchtende Erklärung dafür sein, dass massenhaft rot-braune extremistische Parteien gewählt werden, die offen als Komplizen eines völkermörderischen Terrorstaats agieren.
Für solche Kräfte zu stimmen kann nur über sich bringen, wer von vorneherein eine innere Affinität zu autoritärer Herrschaft aufweist. Was für eine Logik soll überhaupt darin liegen, dass „Unzufriedene“, die sich über einen Mangel an Demokratie in Deutschland beklagen, als Antwort darauf ausgemachte Feinde der Demokratie wählen, die sich in den Propagandadienst einer brutalen, mörderischen Diktatur stellen? Tatsächlich existierende Missstände im deutschen Osten wie in Deutschland insgesamt stehen in keinem Verhältnis zu der Radikalität dieses Wahlverhaltens, das in Wahrheit in einem tief sitzenden, verfestigten antiliberalen und aniwestlichen Ressentiment wurzelt. Diesem nachzugeben, schon gar in der Frage der Solidarität mit der Ukraine, beschleunigt nur den Niedergang der demokratischen Parteien.
Doch schon gleichsam vorauseilend, in Erwartung der dann tatsächlich eingetretenen Wahlerfolge von AfD und BSW hatte die Bundesregierung ein fatales Zeichen gesetzt, indem sie ankündigte, künftige Waffenlieferungen an die Ukraine nicht mehr aus dem Bundeshaushalt zu finanzieren. Statt offensiv die Dramatik der Lage auf dem ukrainischen Kriegsschauplatz hervorzuheben und mit Nachdruck klar zu machen, dass die Verteidigung der Ukraine von essenzieller Bedeutung für unsere eigene Sicherheit ist, versuchen Regierung wie CDU/CSU-Opposition aus Angst vor weiterem Wählerschwund das Thema Ukraine möglichst unter dem Deckel zu halten, da sie es für zu „unpopulär“ halten. Die „schwarze Null“ zu halten scheint den demokratischen Spitzenpolitikern überdies wichtiger zu sein als die Sicherung einer europäischen Zukunft in Freiheit. Das lässt befürchten, dass sie der Dimension der epochalen Herausforderung, die Russlands Aggression darstellt, nicht gewachsen sind. Ausgenommen sind allenfalls die Grünen, die sich weiterhin konsequent für eine deutliche Ausweitung der Militärhilfe für die Ukraine einsetzen. Doch als Regierungspartei tragen sie im Endeffekt die Scholzsche Politik des Lavierens mit.
Fehlender politischer Wille
Wie abwegig indes die Suggestion ist, Deutschland setze zu „einseitig“ auf Waffenlieferungen an die Ukraine und befeuere damit den Krieg, zeigt ein Blick auf die nackten Zahlen. Er widerlegt auch die absurde Behauptung, die Waffenlieferungen an die Ukraine belasteten den deutschen Haushalt über Gebühr und verschlängen Mittel, die für soziale Maßnahmen zugunsten der deutschen Bevölkerung dringend benötigt würden – was etwa die Kreml-Lautsprecherin Sahra Wagenknecht demagogisch zu suggerieren pflegt. Moritz Schularick, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, hat die tatsächlichen Größenverhältnisse kürzlich auf Linkedin zurechtgerückt:
„Deutschland hat in den gut 2 Jahren seit Beginn des Krieges militärische Hilfe an die Ukraine von insgesamt gut 10 Milliarden geleistet. Das entspricht 0,25% des deutschen BIP von 2023. Auf Jahresbasis geben wir weniger als 0,1% des BIP an Militärhilfe.
Relativ zum BIP und unseren fiskalischen Ressourcen ist die militärische Unterstützung für die Ukraine gering. Zum Vergleich: allein das Dieselprivileg kostet den Steuerzahler pro Jahr rund doppelt so viel, nämlich rund 8 Mrd. Euro.“
Und der Experte schlussfolgert treffend: „Wieviel Leid könnte der Ukraine erspart werden, wie viele Leben könnten gerettet werden, wenn wir den politischen Willen hätten, 0,2 oder 0,3 oder gar 1% unserer Wirtschaftsleistung für die Verteidigung der Freiheit in Europa einzusetzen?“
Kriegswaffe Desinformation
Unterdessen wird die deutsche Öffentlichkeit vom Kreml in einem beispiellosenAusmaß mit Desinformation überflutet, in der Absicht, einen Regierungswchsel herbeizuführen, durch den die Bundesrepublik aus dem westlichen Bündnis herausgelöst und in einen Parteigänger Russlandsverwandelt werden soll. Das Putin-Regime hat Deutschland als größte Schwachstelle und zugleich Schlüsselland in der westlichen Unterstützerfront für die Ukraine ausgemacht. Der Kreml folgt damit der Lenin zugeschriebenen Maxime, die bereits der sowjetischen Außenpolitik als Leitlinie diente: „Wer Deutschland hat, hat Europa“.
Vor allem die sozialen Medien, aber auch etablierte journalistische Erzeugnisse werden mit Kreml-Propaganda vom Fließband gefüttert. Im deutschsprachigen Raum sind es einstmals seriöse Blätter wie die Schweizer „Weltwoche“ und die „Berliner Zeitung“, die sich in der Hand kremlnaher Verleger befinden, in denen auffällig oft russische Desinformation auftaucht. Westliche Medien machen sich jedoch häufig auch unfreiwillig, aus Ahnungs- und Gedankenlosigkeit, zum Schallverstärker russischer Desinformationsoperationen.
So wird Propagandisten des russischen Terrorstaats immer wieder eine Bühne geboten – wie jüngst im Deutschlandfunk, der ein Interview mit dem russischen Botschafter in Berlin führte. Unwidersprochen konnte der Kreml-Statthalter darin gefälschte und erfundene Fakten aus der Giftküche der Kreml-Propaganda verbreiten. Gerechtfertigt werden solche Auftritte von den Redaktionen üblicherweise mit einem falsch verstandenen Gebot von „Objektivität“. Es sei doch sinnvoll, heißt es dann, den „Standpunkt der anderen Seite“ aus authentischer Quelle zu erfahren. Doch würde man so auch argumentieren, ginge es um einen Anführer des IS oder der Al Qaida?
Verfehlter Objektivitätsbegriff
Nach der Maßgabe dieses verfehlten Objektivitätsbegriffs kann auch die Kreml-Apologetin Sahra Wagenknecht als Dauergast in TV-Talkshows nach Belieben putinistische Desinformation verbreiten. Dabei müsste längst jedem informierten Zeitgenossen bekannt sein, dass Wagenknecht eine zentrale Figur in Putins strategischem Plan ist, in ganz Europa eine „Antikriegsstimmung“ zu erzeugen, die bei der Bundestagswahl 2025 zu einem Machtwechsel im Sinne des russischen Aggressors führen soll. Schon im vorigen Jahr hatten russische Geheimdienstler und Diplomaten im Auftrag des Kreml ein Konzept erarbeitet, wie die Stimmung der deutschen Öffentlichkeit gegen die Ukraine gewendet werden könne: Die extrem rechten und linken Kräften in Deutschland müssten zum gemeinsamen Kampf gegen „die Eliten“, „die Globalisten“, die EU und vor allem die USA zusammengeführt werden. Die Gründung der Wagenknecht-Partei BSW, die rechtsnationalistische und linkspopulistische Ideologeme systematisch miteinander vermengt, entspricht exakt diesen Vorgaben des Kreml.
Die „Washington Post“, die in den Westen gelangte einschlägige Protokolle russischer „Expertenrunden“ einsehen konnte, berichtete darüber detailliert. Doch in Deutschland wurde dies kaum beachtet. „Zu den Reflexen hierzulande gehört es noch immer“, schreibt dazu der Journalist Matthias Koch, russische Pläne zur Steuerung der öffentlichen Debatten im Westen „als bloßes Moskauer Wunschdenken abzutun.“
Tatsächlich haben die deutsche Politik und Öffentlichkeit die Gefahr, die von russischen Aktivitäten zur Infiltration des Bewusstseins großer Teile der Bevölkerung ausgeht, viel zu lane sträflich unterschätzt oder gar heruntergespielt – aus Scheu vor einer offenen Konfrontation mit Moskau oder aus Furcht, als „paranoid“ zu erscheinen. Jetzt aber, da Kreml-Parteien wie die AfD und das BSW zunehmend die Themen des politisch-gesellschaftlichen Diskuress in Deutschland vorgeben, wird auf fatale Weise deutlich, dass wir es bei der Desinformation mit einer höchst effektiven Angriffskriegswaffe zu tun haben.
Aufstachelung zum Genozid
Stets aufs Neue lassen das Kreml-Regime und seine ideologischen Einpeitscher keinen Zweifel daran, dass das Ziel des russuíschen Angriffskriegs gegen die Ukraine die Auslöschung der ukrainischen Nation ist, und dass es von diesem Ziel unter keinen Umständen abgehen wird. Hasstiraden wie die des Putin-Vertrauten und notorischen Mordhetzers Dmitrij Medwedew von Mitte Juli sind an der Tagesordnung: „Es kann keine Gnade geben. Da ist kein Platz für Güte – nur fürs Töten“, niemand brauche „Mitleid mit ihnen (den Ukrainern) haben“. Es gebe für die Ukraine „kein Recht auf Leben“, sie „hinzurichten“ sei das „Recht des Feindes im Krieg“. Unablässig wird die russische Bevölkerung auf diese Rhetorik des Völkermords eingeschworen. Jüngste Beispiele dafür gaben etwa Alexander Kamkin, ein Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaft, der im russischen Staatfernsehen forderte, das gesamte ukrainische Territorium müsse von „dem anti-russischen Virus gesäubert werden“, und Evgeny Buzshinsky, Generalleutnant im Ruhestand, der an selber Stelle die Zerstörung der gesamten ukrainischen Energieinfrastruktur verlangte.
Diese permanente, systematische Aufstachelung zum Genozid hindert hiesige irregeleitete „Friedensfreunde“ jedoch nicht daran, inbrünstg an den Verhandlungs- und Friedenswillen des russischen Verbrecherregimes zu glauben – ungeachtet der Tatsache, dass Putin und seine Spießgesellen ein ums andere mal bekräftigen, dass Verhandlungen für sie nur unter der Voraussetzung der Unterwerfung der Ukraine unter die Vorbedingungen des Kreml in Frage kommen, was gleichbedeutend wäre mit der ukrainischen Kapitulation. Doch unverdrossen halten die deutschen Trommler für „Verhandlungen“ an der verhängnisvoll irrigen Prämisse fest, es gebe tatsächlich russische „Sicherheitsinteressen“, die der Kreml durch den Westen bedroht sehe. In Wahrheit benutzt das Putin-Regime den Verweis auf diese von ihm frei erfundene Bedrohung lediglich als Vorwand, um seinen Expansions- und Vernichtungsgelüsten den Anschein von Legitimität zu verpassen. Wer glaubt, Putins Russland gehe es tatsächlich nur um eine wie auch immer geartete Verbesserung seiner Sicherheitslage, und es werde sich mit dahingehenden Zugeständnissen zufrieden geben, geht dessen zynischer Propaganda auf den Leim.
Gesetz der Mafia
In Wahrheit führt Putins Russland längst mit wachsender Intensität Krieg gegen den Westen – zwar noch nicht mit Panzern und Raketen, doch mit allen Mitteln verdeckter Kriegsführung wie Desinformation, Sabotage und der Planung von Terrorakten. Der Versuch, sich diese rein destruktive terroristische Macht noch immer als einen potenziellen „Stabilitätspartner“ schönzureden, zeugt von hartnäckiger Ignoranz. Das aus Mafia und Geheimdiensten amalgamierte Verbrecherkartell, das mit dem „Russische Föderation“ genannten Gebilde identisch geworden ist, hat kein Interesse an „Stabilität“, sondern nichts anderes im Sinne als Zerstörung, Vernichtung und gealtsame Unterwerfung. Sein Ideal ist es, seine näheren Nachbarn und potenziell die ganze Welt unablässig in Angst und Schrecken zu halten, um sie erpressen und zu unterwürfiger Willfährigkeit zwingen zu können. Es träumt von einer „Weltordnung“, in der niemand mehr wagt, sich gegen seine permanenten maßlosen Gewaltdrohungen aufzulehnen und seine Gier nach Bereicherung Widerstand entgegenzusetzen. Es ist das „Gesetz“ der Mafia, das zukünftig auf der ganzen Welt herrschen soll, das Gesetz einer monströsen Super-Mafia, die sich einen Staat einverleibt hat und sich nunmehr als ein Staat tarnen kann.
Verrat in Vorbereitung
Niemand aber käme wohl auf die Idee, mit der Mafia zu verhandeln und Verträge abzuschließen, die Konzessionen an sie enthält – in der Erwartung, dass sie sich im Gegenzug künftig an das geltende Recht und die Regeln des Geschäftslebens halten werde. Denn das Gesetz zu brechen und sämtliche Grundregeln zivilisierten Zusammenlebens zu negieren, ist der eigentliche Daseinszweck, sozusagen die sie konstituierende Geschäftsidee der Mafia. Wer nicht versteht, dass der Putinismus seine Identität ausschließlich aus Krieg und Zestörung bezieht und daher niemals freiwillig damit aufhören wird, hat das Wesen dieser tödlichen Bedrohung für die zivilisierte Menschheit nicht verstanden und ist für den Verrat an jenen Kräften prädestiniert, die den Vormarsch der Macht des Bösen unter Einsatz ihres Lebens aufzuhalten versuchen.
Indes sind die Vorbereitungen für den Verrat an der Ukraine fatalerweise nicht auf Deutschland beschränkt. Die US-Regierung unter Präsident Joe Biden ist und bleibt zwar der mit Abstand größte und wichtigste Unterstützer der Ukraine, weigert sich aber weiterhin, ihr den Einsatz von Raketen mit großer Reichweite gegen Ziele in Russland zu gestatten. Unterdessen haben Donald Trump und sein Vize J.D. Vance auch die letzten Zweifel daran beseitigt, dass sie im Fall ihrer Regentschaft die Ukraine der Willkür Putins ausliefern würden. Einstweilen hetzen sie gegen Präsident Selenskyj als den vermeintlich wahren Verantwortlichen für die Fortdauer des Kriegs. Aber selbst der liberale tschechische Präsident Petr Pawel, der bislang mit vorbildlicher Entschlossenheit zur Ukraine gestanden hat, legt ihr neuerdings nahe, sich mit dem Gedanken an Zugeständnisse gegenüber dem Aggressor vertraut zu machen. Und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron, der vor kurzem noch vehement für eine härtere Gangart im Kampf gegen den russischen Vorherrschaftsanspruch über den Kontinent warb, spricht er jetzt plötzlich von einer „Neuausrichtung“ der Beziehungen zu Russland „nach dem Ende des Kriegs“ – im Rahmen einer „neuen Form der Organisation Europas“, in der „alle Länder würdig vertreten“ sein sollten.
All dies deutet darauf hin, dass der Westen nach einem Ausweg aus dem Krieg durch einen wie auch immer gearteten „Kompromissfrieden“ mit dem Aggressor sucht und dafür mehr oder weniger subtile Signale der Beschwichtigung nach Moskau sendet. Doch ein auch nur partielles Nachgeben gegenüber den verbrecherischen Ansprüchen Russlands würde nichts anderes bedeuten, als ihn für seinen genozidalen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu belohnen. Dies aber wäre zugleich das Ende der europäischen Friedensordnung. Und mehr noch: Würde Putins Plan aufgehen, die Grenzen in Europa mittels kriegerischer Gewalt zu verschieben, wäre das Resultat „der ultimative Zusammenbruch der globalen Ordnung“, wie der israelische Historiker Yuval Harari zu Recht feststellt. Der Verrat an der Ukraine käme somit der Selbstzerstörung des Westens gleich. Es ist jedoch zu befürchten, dass sich die politischen Eliten der demokratischen Welt der historischen Tragweite ihres halbherzigen Agierens nicht bewusst sind.
APPENDIX
(…) Ach, der erste Verrat –
kann aus Schwäche geschehn,
Und der zweite Verrat –
will schon Orden sehn,
Doch beim dritten Verrat –
mußt du morden gehn,
selber morden gehn
– und das ist geschehn! (…)
Aus: „Die erste Liebe“ von Bulat Okudshawa, deutsch von Wolf Biermann