Nahost: Die Zwei-Staaten-Lösung ist eine Illusion

Nach der Vereinbarung der Waffenruhe zwischen Hamas und Israel hat US-Präsident Joe Biden einmal mehr erklärt, die Zwei-Staaten-Lösung sei die einzige Option für einen israelisch-palästinensischen Frieden. Doch durch ihren wahllosen Raketenbeschuss der israelische Zivilbevölkerung hat sich die terroristische Hamas bis auf weiteres als führende Kraft im fortgesetzten palästinensischen Krieg gegen den jüdischen Staat etabliert. Dagegen versinkt die – von Biden und den Europäern unverdrossen weiter hofierte – Palästinensische Autonomiebehörde (PA) unter dem weitgehend  handlungsunfähigen Präsidenten Abbas in Korruption und Orientierungslosigkeit. Als Folge passt sich die in der PA tonangebende, ursprünglich säkular-nationalistische Fatah zunehmend der religiös-fundamentalistischen Ideologie der Hamas an. Vor diesem Hintergrund rückt die Forderung nach einer Zwei-Staaten-Lösung noch weiter in die Sphäre des Wunschdenkens. Warum sie auf grundlegenden Fehleinschätzung beruht, habe ich in in einem kurzen Kommentar im Rahmen eines Pro und Kontra der Wochenzeitung „Das Parlament“ festgehalten:

Zur Realisierung der Zwei-Staaten-Lösung fehlen elementare Voraussetzungen. Nicht nur der Hamas, auch der vermeintlich gemäßigten Fatah gilt sie allenfalls als Etappenziel auf dem Weg zur „Befreiung ganz Palästinas“ – im Klartext: zur Zerstörung Israels. Dessen Anerkennung als jüdischen Staat kommt für sie nicht in Frage.

Ein souveränes Palästina könnte aber nur in enger politischer Kooperation und wirtschaftlicher Verknüpfung mit Israel gedeihen. Andernfalls würde es sich flugs in ein militärisches Aufmarschgebiet verwandeln, wie es heute schon Gaza ist. So lange der Iran die Hamas sowie die libanesische Hisbollah hochrüstet und seine Aggressionspolitik nicht effektiv eingedämmt wird, können sich vorhandene Ansätze eines grundlegenden Wandels der jüdisch-arabischen Beziehungen nicht entfalten.

Keine Alternative ist die von Israelkritikern jüngst verstärkt propagierte „Einstaatenlösung“, die das Zusammenleben von Juden und Palästinensern in einem „säkularisierten“ Staat vorsieht. Die jüdischen Israelis würden sich darin bald in der Minderheit wiederfinden – ohne Schutzgarantie vor islamistischer und arabisch-nationalistischer Willkür. Nur in einem wehrhaften, definitiv jüdischen Staat können sie in Sicherheit leben.

Realistisch bleibt auf absehbare Zeit nur eine modifizierte Beibehaltung des Status Quo: die begrenzte, gegebenenfalls schrittweise zu erweiternde palästinensische Autonomie. Auf lange Sicht könnte sich dann unter den Palästinensern eine neue, pragmatische Führungsschicht herausbilden, der Wohlstand und Fortschritt mehr wert ist als militantes Märtyrertum. Erst mit ihr würde ein friedliches Nebeneinander in zwei Staaten möglich. Doch das ist ferne Zukunftsmusik.

Über den Autor

Richard Herzinger

Dr. Richard Herzinger, geboren 1955 in Frankfurt am Main, lebt und arbeitet als Publizist in Berlin. Als Autor, Redakteur und politischer Korrespondent war er für "Die Zeit", den Berliner "Tagesspiegel", die Züricher "Weltwoche" und zuletzt fast 15 Jahre lang für "Die Welt" und "Welt am Sonntag" tätig. Bereits vor 25 Jahren warnte er in seinem gemeinsam mit Hannes Stein verfassten Buch "Endzeitpropheten oder die Offensive der Antiwestler" vor dem Wiederaufstieg autoritärer und totalitärer Mächte und Ideologien. Er schreibt für zahlreiche deutsche und internationale Zeitungen und Zeitschriften, unter anderem eine zweiwöchentliche Kolumne für das ukrainische Magazin Український Тиждень (Ukrainische Woche; tyzhden.ua).

von Richard Herzinger

Richard Herzinger

Dr. Richard Herzinger, geboren 1955 in Frankfurt am Main, lebt und arbeitet als Publizist in Berlin. Als Autor, Redakteur und politischer Korrespondent war er für "Die Zeit", den Berliner "Tagesspiegel", die Züricher "Weltwoche" und zuletzt fast 15 Jahre lang für "Die Welt" und "Welt am Sonntag" tätig. Bereits vor 25 Jahren warnte er in seinem gemeinsam mit Hannes Stein verfassten Buch "Endzeitpropheten oder die Offensive der Antiwestler" vor dem Wiederaufstieg autoritärer und totalitärer Mächte und Ideologien. Er schreibt für zahlreiche deutsche und internationale Zeitungen und Zeitschriften, unter anderem eine zweiwöchentliche Kolumne für das ukrainische Magazin Український Тиждень (Ukrainische Woche; tyzhden.ua).

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