Trumps Abzugsplan unterminiert die transatlantische Sicherheitsstruktur

Donald Trumps Ankündigung, um die zehntausend US-Soldaten aus Deutschland abzuziehen, macht einmal mehr deutlich, welche verheerenden Folgen seine Präsidentschaft für den Zusammenhalts des Westens hat. Die von einigen hiesigen Schönrednern seiner Politik verbreitete Vorstellung, eine solche „Bestrafung“ der Deutschen könne diese zu besseren Transatlantikern erziehen, ist kindisch. Bestraft würden mit dieser Beschädigung der sicherheitspolitischen Infrastruktur Europas in Wahrheit letztlich gerade jene europäische Verbündete, die am meisten auf die amerikanische Sicherheitsgarantie angewiesen sind und diese am meisten zu schätzen wissen. Einen Gefallen tut Trump damit vor allem seinem Paten Wladimir Putin.

Zwar ist die scharfe – nicht nur von Trump und nicht erst seit Trump virulente – US-Kritik an Berlins fehlender Bereitschaft, einen angemessenen Beitrag zur transatlantischen Verteidigung zu leisten, durchaus berechtigt. Deutschland liegt bei den Verteidigungsausgaben weit unter dem Nato-Ziel, das zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts bis 2024 vorsieht. Die Bundesregierung hat erklärt, den deutschen Wehretat bis dahin nur auf 1,5 Prozent erhöhen zu wollen. Doch nach der aktuellen Finanzplanung wird man wohl nicht einmal diese Marge erreichen.

Als Schlussfolgerung daraus aber die Drohung abzuleiten, einen Teil der US-Truppen aus Deutschland abzuziehen, ist paradox und irrational. Sie erweckt den Eindruck, 35.000 US-Soldaten seien primär deshalb in Deutschland stationiert, um den Deutschen einen Gefallen zu tun und ihnen die Kosten für ihre Verteidigung abzunehmen. Der wirkliche Grund dafür ist jedoch, dass Deutschland das politisch, wirtschaftlich und geostrategisch wichtigste Land in Europa ist. Schon Lenin soll gesagt haben: „Wer Deutschland hat, hat Europa“. Würden sich die USA daher nun freiwillig aus Deutschland zurückziehen, schadeten sie vor allem ihren eigenen geostrategischen Interessen. Bestraft würden damit auch alle anderen europäischen Verbündeten, für die der gesicherte Verbleib Deutschlands im westlichen Bündnis eine essenzielle Voraussetzung für ihre eigene Sicherheit ist. Die deutsche Bündnistreue aber wird durch nichts effektiver garantiert als durch die Präsenz von US-Truppen auf deutschem Boden. Ein US-Abzug aus Deutschland würde daher Wladimir Putin und seine deutschen Helfer, die dem Grundsatz Lenins treu bleiben, in Jubelstimmung versetzen.

Das Problem ist zudem, dass ein großer Teil der Deutschen die Drohung mit einem Rückzug der US-Truppen gar nicht als eine solche empfindet. Angesichts wachsender Amerikaskepsis in der deutschen Wählerschaft ist jedenfalls nicht zu erwarten, dass sich Berlin, erschrocken über das Machtwort der USA, nun doch noch zu einer Erhöhung seines Verteidigungsetats entschließen wird. Im Gegenteil: Der drohende Tonfall aus Washington bestärkt jene Kräfte in Deutschland, die schon seit geraumer Zeit erklären, man könne sich auf amerikanische Sicherheitsgarantien sowieso nicht mehr verlassen.

Und die Aussicht auf einen möglichen Abzug der USA gibt jenen antitransatlantischen Kräften weiteren Auftrieb, die Deutschland lieber heute als morgen von Amerika abkoppeln und sich mit Russland zu einer „gemeinsamen Sicherheitsarchitektur“ zusammenschließen wollen. Die Stellungnahme eines führenden Mitglieds der Bundestagsfraktion der Linkspartei macht deutlich, wer sich über Trumps Vorstoß am meisten freut: Statt auf „das Gejammer des US-Präsidenten“ über den zu niedrigen deutschen Rüstungsbeitrag „mit hohlen Floskeln über gemeinsame Werte zu reagieren“, heißt es darin, „sollte die Verteidigungsministerin endlich Rückgrat zeigen und den Abzug der US-Truppen begrüßen. Diese sollten zurück zu ihren Familien in die USA gehen und am besten die in Deutschland stationierten Atomwaffen gleich mitnehmen..“

Einige Verteidiger Trumps argumentieren, aufgrund der veränderten Sicherheitslage seien die US-Soldaten in Polen heute besser aufgehoben als in Deutschland. Grundsätzlich ist gegen die Stationierung von US-Truppen in unserem Nachbarland tatsächlich nichts einzuwenden – sofern sie sicherheitsstrategisch begründet und nicht nur einer willkürlichen Eingebung des Monomanen im Weißen Haus geschuldet ist. Es zeugt jedoch von einer seltsamen Logik, wenn sich die US-Botschafterin in Polen bereits vor einem Jahr mit folgendem Argument für eine Verlegung von US-Truppen aussprach: „Polen erfüllt seine Zahlungsverpflichtung von zwei Prozent des BIP gegenüber der Nato. Deutschland tut das nicht. Wir würden es begrüßen, wenn die amerikanischen Truppen in Deutschland nach Polen kämen.“ Das klingt so, als sei die Anwesenheit von US-Truppen eine Belohnung für gute Zahlungsmoral.

Das Kriterium dafür, wo US-Truppen in Europa stehen sollen, muss jedoch sein, wo sie für die Sicherheit ganz Europas und damit des ganzen Westens am sinnvollsten positioniert sind. Oder soll die US-Armee ab jetzt wie ein privater Sicherheitsdienst funktionieren, der dem Kunden zur Verfügung steht, der am besten zahlt? Eventuelle Truppenverlegungen dürfen nicht mit einer Zerrüttung der gegenwärigen Sicherheitsstrukturen in Europa verbunden sein. Dementsprechend hat der polnische Außenminister inzwischen klargestellt, dass sich Polen zwar eine Verlegung von US-Soldaten in sein Land wünscht, nicht aber auf Kosten der US-Präsenz in Deutschland.

Von allen denkbaren Druckmitteln, die eingesetzt werden könnten, um Deutschland zur Erfüllung seiner Nato-Verpflichtungen zu drängen, ist die öffentliche Ankündigung der USA, in Deutschland zumindest partiell das Feld räumen zu wollen und es damit faktisch den Antiamerikanern und Putinfreunden von links bis rechts zu überlassen, das ungeeignetste. Es ist eine gefährliche Dummheit, die tendenzielle Unterminierung der westlichen Verteidigungsfähigkeit durch Deutschlands chronische Wehrunwilligkeit damit zu beantworten, dass man seinerseits die Grundlagen des westlichen Verteidigungsbündnisses in Frage stellt.

An dieser Feststellung ändert nichts, dass die Realisierung der Pläne Trumps durchaus noch nicht gesichert ist. Zu viel haben die USA gerade erst in ihre militärische Infrastruktur in Deutschland investiert, als dass sie die enormen Kosten eines Umbaus ihres militärischen Koordinatensystems in Europa ohne weiteres auf sich nehmen würden, nur weil ihr irrlichternder Präsident einen weiteren spektakulären Beweis seiner vermeintlichen Allmacht im Umgang mit den transatlantischen Verbündeten zu benötigen glaubt. Doch schon allein die öffentliche Drohung, bestimmten Alliierten, mit denen man unzufrieden ist, den Schutz zu entziehen, schwächt das westliche Bündnis elementar – und lässt seine Feinde frohlocken

Über den Autor

Richard Herzinger

Dr. Richard Herzinger, geboren 1955 in Frankfurt am Main, lebt und arbeitet als Publizist in Berlin. Als Autor, Redakteur und politischer Korrespondent war er für "Die Zeit", den Berliner "Tagesspiegel", die Züricher "Weltwoche" und zuletzt fast 15 Jahre lang für "Die Welt" und "Welt am Sonntag" tätig. Bereits vor 25 Jahren warnte er in seinem gemeinsam mit Hannes Stein verfassten Buch "Endzeitpropheten oder die Offensive der Antiwestler" vor dem Wiederaufstieg autoritärer und totalitärer Mächte und Ideologien. Er schreibt für zahlreiche deutsche und internationale Zeitungen und Zeitschriften, unter anderem eine zweiwöchentliche Kolumne für das ukrainische Magazin Український Тиждень (Ukrainische Woche; tyzhden.ua).

2 Kommentare

  • Deutschland hat Trump und seine Vorhaben von Anfang seine Präsidentschaft nicht akzeptiert und sich unfreundlich zu ihn benommen., so tut er das Gleiche mit Recht. Deutschland hat sich nicht diplomatisch verhalten, genau wie zu Israel, und bleibt stur bei ihre konservative Positipnen, die bis jetzt nicht gebracht haben. Deutschland ist freundlicher zu Autokraten wie Erdogan und Iran
    Man erwartet von einem Verbundeten etwas mehr natürlich.

    • An Freundlichkeit gegenüber Autokraten ist Trump ja wohl von niemandem zu übertreffen. Nicht nur, dass er den nordkoreanischen Horror-Despoten Kim Jong-un als großen Staatsmann und „Freund“ abgefeiert hat, ohne dafür auch nur das geringste Zugeständnis in Sachen Atomabrüstung zurückzubekommen (ganz im Gegenteil sogar, wie sich inzwischen herausgestellt hat), und nicht nur, dass er seinem Paten Wladimir Putin willfährig nach dem Munde redet – wie John Boltons Enthüllungsbuch zeigt, hat er sich sogar an Chinas Staatschef Xi angebiedert und der Internierung der Uiguren sein Plazet gegeben, wenn Xi dafür Sojabohnen in den USA kauft, um Trumps Wiederwahl zu befördern. Alles, was Trump tut oder lässt, hat in Wirklichkeit gar nichts mit irgendeiner Politik zu tun, sondern dient ausschließlich seinem persönlichen Vorteil – es ist ein Fake von Politik. Das gilt letzten Endes auch für seine Haltung gegenüber dem Iran, die nur scheinbar hart und konsequent ist, hinter der tatsächlich aber nicht die Spur einer strategischen Perspektive steckt. Im übrigen gilt generell: Dass die EU und Deutschland auf zahlreichen Feldern der Weltpolitik versagen, macht Trumps verheerendes Treiben um kein Iota besser. Leider aber wird dieser falsche Umkehrschluss von zu vielen Zeitgenossen gezogen, die zu Recht von der europäischen/deutschen Nachgiebigkeit gegenüber Autokratien angwidert sind.

Richard Herzinger

Dr. Richard Herzinger, geboren 1955 in Frankfurt am Main, lebt und arbeitet als Publizist in Berlin. Als Autor, Redakteur und politischer Korrespondent war er für "Die Zeit", den Berliner "Tagesspiegel", die Züricher "Weltwoche" und zuletzt fast 15 Jahre lang für "Die Welt" und "Welt am Sonntag" tätig. Bereits vor 25 Jahren warnte er in seinem gemeinsam mit Hannes Stein verfassten Buch "Endzeitpropheten oder die Offensive der Antiwestler" vor dem Wiederaufstieg autoritärer und totalitärer Mächte und Ideologien. Er schreibt für zahlreiche deutsche und internationale Zeitungen und Zeitschriften, unter anderem eine zweiwöchentliche Kolumne für das ukrainische Magazin Український Тиждень (Ukrainische Woche; tyzhden.ua).

Schreiben Sie mir

Sie können mich problemlos auf allen gängigen Social-Media-Plattformen erreichen. Folgen Sie mir und verpassen Sie keinen Beitrag.

Kontakt