Die Diffamierungskampagne gegen die für einen Sitz im Bundesverfassungsgericht nominierte Rechtswissenschaftlerin Frauke Brosius-Gersdorf wurde von einem Netzwerk rechtsextremer “Lebensschützer” lanciert, darunter an prominenter Stelle der Stiftung CizizenGO. Ein entscheidender Aspekt wird in der Debatte darüber in seiner Dimension jedoch viel zu wenig beleuchtet und ernst genommen: Die Gruppierungen, die hinter diesem Angriff stehen, sind fest in die Einfluss-Netzwerke des russischen Regimes in Deutschland eingebunden. So wird CitizenGO unter anderem von dem putinnahen Oligarchen Konstantin Malofejew finanziert und entsprechend gelenkt, dessen Denkfabrik “Katehon”die geopolitische Ideologie des großrussisch-nationalistischen, die Vorherrschaft Russlands über Europa propagierenden Autors und Aktivisten Alexander Dugin verbreitet.
Hauptsächlich über die Bundestagsabgeordnete Beatrix von Storch, deren adlige Familie eine Schlüsselrolle im Kontext deutsch-russischer Netzwerke spielt, sind diese fest mit der AfD verwachsen und wirken auf diese Weise direkt in die deutschen Parlamente hinein. (Ausführlichere Information dazu im Anhang). Das legt nahe, dass es sich bei der Kampagne gegen Brosius-Gersdorf um eine russische Einflussoperation handelt – mit dem Ziel, die Regierungskoalition zu spalten und tendenziell zu paralysieren. Zumindest ist offensichtlich, dass sich die Stoßrichtung dieser Kampagne gänzlich mit der aktuellen strategischen Zielsetzung der russischen Desinformationskriegsführung deckt, die neue CDU/CSU-SPD-Regierung, die sich zu massiv gesteigerten Verteidigungsanstrengungen gegen die Bedrohung durch Russland und zu verstärkter militärischer Unterstützung der Ukraine bekennt, mit allen Mitteln zu torpedieren und zu schwächen..
Anti-Abtreibungsinitiativen sind ein bevorzugtes Feld, auf dem die deutsch-russischen Netzwerke in ihrem Bestreben operieren, die Errungenschaften der liberalen Gesellschaft in toto rückgängig zu machen. Die Verlogenheit, mit der sich rechtsextreme und christlich-fundamentalistische Ideologen als Beschützer ungeborenen Lebens aufspielen und dabei mit einer verbrecherischen Macht an einem Strang ziehen, die täglich ukrainisches Leben vernichtet, ist freilich nicht zu überbieten. Sie ist indes charakteristisch für die Propaganda des russischen Terrorstaats, der sich bevorzugt als Hüter authentischer “christlicher Werte” und Verteidiger der traditionellen Fundamente des “Abendlands” tarnt, die durch die liberalen Demokratien zerstört würden.
Netzwerke der Lüge
Um eines klarzustellen: Es geht hier nicht darum, alle oder einzelne verfassungsrechtsheoretische oder politische Positionen von Brosius-Gersdorf zu verteidigen. Kritik an ihr, namentlich auch vom Standpunkt eines konservativen Welt- und Menschenbildes aus, ist völlig legitim – so lange sie sich auf die tatsächlichen Positionen der kritisierten Juristin bezieht. Wobei es jedoch keinen Anhaltspunkt dafür gibt, dass ihre Auffassungen, so kontrovers (und in Teilen für Nicht-Juristen schwer verständlich) sie sein mögen, im Widerspruch zum Grundgesetz stehen würden. Es muss auch daran erinnert werden, dass Verfassungsrichter und -richterinnen nicht als Repräsentanten einer bestimmten politischen Richtung gewählt werden – und keine Gesetzgeber sind, sondern nach ihrer juristischen Qualifikation und ihrer Fähigkeit ausgewählt werden, Gesetze sowie die Anwendung und Auslegung derselben auf ihre Verfassungskonformität hin zu überprüfen.
Die rechtsextreme Kampagne gegen Brosius-Gersdorf basierte jedoch nicht auf sachbezogener Kritik, sondern auf gezielt gestreuten Lügen, Verleumdungen und aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten, mit denen die anvisierte Zielperson als “linksradikale Lebensfeindin”gebrandmarkt werden sollte. Dieses Vorgehen entspricht exakt dem Strickmuster russischer Desinformations- und Zersetzungsoperationen.
Weil die deutsche Öffentlichkeit jedoch mit der Methodik und dem Hintergrund derartiger Operationen noch immer nicht ausreichend vertraut und auf sie nicht adäquat vorbereitet ist, erzielte diese Kampagne eine Durchschlagskraft, die alle Demokraten, gleich welcher Couleur, aufs Höchste alarmieren muss. Gelang es ihren Initiatoren doch, das politische Verhalten von Teilen der demokratischen Mitte, namentlich der demokratischen Rechten, zu beeinflussen und die neue schwarz-rote Koalition so an den Rand einer Regierungskrise zu treiben. So wurden die über Brosius-Gersdorf verbreiteten Falschinformationen nicht nur von CDU/CSU-Abgeordneten, sondern auch von hohen Würdenträgern der katholischen Kirche unbesehen übernommen.
Warnendes Beispiel
Diese Entwicklung ist ein warnendes Beispiel dafür, wie manipulierbar und angreifbar der demokratische Diskurs durch verdeckte Einflussoperationen ist, und sie sollte als Mahnung dienen, diesen mit entschieden größerer Wachsamkeit entgegenzutreten. Dazu ist eine weitaus breitere und umfassendere Kenntnis über das Ausmaß und die Beschaffenheit der Netzwerke vonnöten, die das Gefüge der freiheitlichen Demokratie von innen heraus auszuhöhlen versuchen.
In einer Ende 2024 von der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Zusammenarbeit mit den Think Tanks “Up!For Democracy” und “Center for the Study Of Democracy” veröffentlichten Studie unter dem Titel: “Networks of Power. Russia’s Shadow Influence in German” haben die Autoren Martin Vladimirov, Marius Köppen and Daria Osipova die umfangreichen informellen Netzwerke russischer Einflussnahme aufgeschlüsselt, die in den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Strukturen Deutschlands verankert sind. Anhand einer umfassenden Netzwerkanalyse und vier detaillierten Fallstudien zu einigen der identifizierten Cluster (deutsch-russische zivilgesellschaftliche Organisationen, das Nord-Stream-II-Projekt, Anwaltskanzleien und Beratungsunternehmen, die deutsche extreme Rechte) zeigen sie auf, wie Russland Geschäftspartnerschaften und strategische Akteure nutzt, um sich politischen Einfluss zu sichern und die institutionelle Widerstandsfähigkeit der Demokratie zu untergraben.
Im folgenden Anhang lesen Sie Auszüge aus der Studie (in eigener, auf DeepL basierender deutscher Übersetzung aus dem Englischen), die den Bereich der Beziehungen russischer Oligarchen zur deutschen extremen Rechten betreffen. Die gesamte Studie finden Sie hier
“Die Schlüsselfiguren in diesem Cluster sind der AfD-Bundestagsabgeordnete Markus Frohnmaier, die stellvertretende Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, Beatrix von Storch, der russische Diplomat Daniil Bisslinger sowie Wladimir Jakunin und Konstantin Malofejew, zwei der einflussreichsten russischen Oligarchen, die wegen ihrer engen Verwicklung in den Krieg in der Ukraine sanktioniert sind. Wie oben ausführlich beschrieben, ist Jakunin auch seit vielen Jahren Mitglied des Kuratoriums des Deutsch-Russischen Forums und hat die Veranstaltungen des Vereins „Deutschland–Russland – Die neue Generation“ mitfinanziert. Er ist dafür bekannt, dass er eine Schlüsselfigur in Russlands Strategie ist, rechtsextreme Politiker und Aktivisten in ganz Europa zu vernetzen, um eine „antiliberale“ Koalition aufzubauen, die konservative und christliche Ideen fördert.
Konstantin Malofejew ist ein ultra-orthodoxer Hardliner, der Anti-LGBTQ+- und Anti-Abtreibungs-Bewegungen finanziert und miteinander vernetzt und mit einem Einreiseverbot in die USA sowie mehrere europäische Länder belegt ist. Er war direkt an der Finanzierung der Operationen der separatistischen “Volksrepubliken Donezk und Luhansk“ beteiligt.
Daniil Bisslinger war in den 2010er Jahren lange Zeit Attaché an der russischen Botschaft in Berlin und arbeitet derzeit für das russische Außenministerium in Moskau. Er fungierte auch als Putins persönlicher Übersetzer bei Treffen mit der ehemaligen Bundeskanzlerin Merkel. Wie Wladimir Jakunin konzentrierten sich auch Bisslingers Aktivitäten in Europa auf den Aufbau von Koalitionen, jedoch mit einem besonderen Fokus auf junge, aufstrebende Politiker, insbesondere von rechtsextremen Parteien wie der deutschen AfD und der österreichischen FPÖ. Seine Schwerpunktsetzung auf die Kontaktaufnahme mit aufstrebenden Führungspersönlichkeiten veranlasste ihn auch zur Teilnahme an der New Generation’s Young Leader Conference 2016.
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Bisslinger und der aufstrebende AfD-Politiker Frohnmaier trafen sich zum ersten Mal 2014. Seitdem wurde aufgedeckt, dass Frohnmaier ein Hauptziel russischer Operationen war, die darauf ausgerichtet waren, ihn zu einem Sprachrohr für pro-russische Narrative in Deutschland zu machen. Er ist regelmäßig auf die Krim und in die von Russland besetzten Gebiete in der Ostukraine gereist und ist in den vom russischen Staat finanzierten Nachrichtensendern Russia Today und Sputnik News aufgetreten. Frohnmaier hat sich auch mit Jakunin getroffen, den er als „Giganten der internationalen Politik“ bezeichnete, und schrieb mehrere Artikel für Malofejevs Denkfabrik “Katehon”.
Die deutsche Regierung hat bestätigt, dass mehrere deutsche Rechtsextremisten mit dieser Denkfabrik in Kontakt standen. Katehons deutscher Facebook-Account wurde zeitweise von Manuel Ochsenreiter betrieben, einem Publizisten, der zwischen September 2018 und Januar 2019 auch als Sonderberater im Bundestagsbüro von Markus Frohnmaier arbeitete, und der 2016 zusammen mit Frohnmaier das Zentrum für Eurasische Studien gegründet hat. Sein Rücktritt als Frohnmaiers Sonderberater erfolgte, nachdem er beschuldigt wurde, einen Brandanschlag auf ein ungarisches Kulturzentrum in der Ukrainen finanziert und geleitet zu haben, um die Spannungen zwischen der ukrainischen Bevölkerung und der ungarischen Minderheit zu verschärfen. Laut einem Polizeibericht starb er 2021 in Moskau an einer plötzlichen Herzattacke.
Malofejew ist auch mit der AfD-Bundestagsabgeordneten Beatrix von Storch und Mitgliedern ihrer Familie (den von Oldenburgs) über ein Netzwerk radikaler Abtreibungsgegner verbunden. Malofejew finanzierte mehrere Anti -Abtreibungsproteste in Deutschland, an denen von Storch teilnahm, und unterhält gute Beziehungen zu der katholischen Organisation „Tradition, Familie, Privateigentum“ (TFP). Diese wurde – ebenfalls von alten Aristokraten – in Brasilien gegründet, und ihre deutschen und europäischen Zweige werden von einem anderen Mitglied der aristokratischen Familie von Storchs, Paul von Oldenburg, geleitet. Malofejew und Paul von Oldenburg trafen sich mindestens einmal persönlich auf dem Weltkongress der Familien in Sydney im Jahr 2013, einem Treffen von Befürwortern der „natürlichen Familie“ und gegen Abtreibungsgesetze. Malofejew und TPP haben geschickt ein Netz von Einfluss über ganz Europa gesponnen, mit Mitgliedsorganisationen in fast jedem Land, die aktiv versuchen, die liberalen Fortschritte, die in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg erzielt wurden, rückgängig zu machen. In Deutschland haben sie ihren stärksten Verbündeten in der AfD gefunden.
Die alte Adelsfamilie von Oldenburg spielt eine Schlüsselrolle im deutsch-russischen Netzwerk, tauchen doch mehrere Mitglieder der Familie in verschiedenen Clustern des Netzwerks auf, wo sie als Verbindungsleute zwischen ihnen fungieren. Die Familie gehört zur höchsten Kategorie des deutschen Adels – Mitglieder von ihr haben im Laufe der Geschichte mehrere europäische Länder regiert. In Deutschland regierte die Familie bis 1918 das Großherzogtum Oldenburg.
Der letzte gemeinsame Vorfahr der vier Oldenburger, die an den deutsch-russischen Netzwerken beteiligt sind, ist Nikolaus von Oldenburg, der Standartenträger der SA und Teil der NS-Regierung in Oldenburg war. Christoph von Oldenburg ist Mitbegründer und Vorsitzender von “Deutschland-Russland – Die neue Generation”. Die Young Leaders Conference seiner Organisation wurde von dem von Gazprom abhängigen sächsischen Unternehmen VNG gesponsert, das fast jedes Jahr Repräsentanten, oft sogar Vorstandsmitglieder, zur Konferenz schickte (siehe Abschnitt über die Gemeinschaft oben). Konstantin von Oldenburg ist Geschäftsführer der VNG Handel & Vertrieb GmbH. Während Christoph und Konstantin offenbar vor allem enge Beziehungen zu einflussreichen russischen Geschäftsleuten oder Politikern unterhalten, insbesondere zu solchen mit Verbindungen zum Energiesektor, sind Paul von Oldenburg und Beatrix von Storch Teil einer Gemeinschaft ultrachristlicher Hardliner aus Russland, Europa und Amerika.
Konstantin von Oldenburg ist jedoch auch Gründungsmitglied von Storchs rechtsextremer Lobbyorganisation „Zivile Koalition “, die Kampagnen und Petitionen zur Unterstützung gängiger rechtsextremer Narrative durchführt. Über von Storch ist die “Zivile Koalition” auch mit der rechtsextremen Lobbyorganisation CitizenGo aus Spanien verbunden, die in der Vergangenheit sowohl von Wladimir Jakunin als auch von Konstantin Malofejew finanziert wurde.
Zwar ist unklar, wie eng die Verbindungen zwischen den vier von Oldenburgs heute sind, doch ist es bemerkenswert, wie eine deutsche Adelsfamilie gleichzeitig mit einer der größten deutsch-russischen Netzwerkveranstaltungen, einem großen Gasimporteur mit engen Beziehungen zu Russland, rechtsextremen Bewegungen, die von russischen Oligarchen finanziert werden, und der AfD verbunden ist, die offen ein Ende der Sanktionen gegen Russland fordert.“
