Am Vorabend des Holocaust-Gedenktags hat Elon Musk den Anhängern der rechtsextremen AfD zugerufen, es gebe in Deutschland „zu viel Fokus auf vergangener Schuld“, man müsse das hinter sich lassen. „Es ist sehr wichtig, dass die Menschen in Deutschland stolz darauf sind, Deutsche zu sein“, sagte Musk per Livestream. Die „deutsche Kultur“ reiche „Tausende Jahre zurück“. Schon Julius Caesar sei „beeindruckt“ gewesen vom Kampfeswillen der germanischen Stämme, schwadronierte der Tech-Multimiliardär und Trump-Vertraute weiter – was an das berüchtigte Diktum des ehemaligen AfD-Vorsitzenden Alexander Gauland von 2018 erinnert, der Nationalsozialismus sei nur ein „Vogelschiss“ in eintausend Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte gewesen.
Es kann inzwischen kein Zweifel mehr daran bestehen, dass sich Musk aktiv uns absichtsvoll mit der Ideologie der äußerten Rchten in den USA und Europa identifiziert. Zum Repertoire, das er einsetzt, um den prorussischen Rechtsextremismus in Europa an die Macht zu bringen, gehört – zum Entsetzen in Polen und Israel – nun auch das Schüren von Geschichtsrevisisionismus. Wie das ARD-Politikmagazin „Kontraste“ kürzlich aufgedeckt hat, entspricht sein Vorgehen dabei ziemlich exakt den Plänen des großrussisch-nationalistischen Ideologen und Einflüsterer Putins, Alexander Dugin, für den die Machtergreifung der AfD in den nächsten Jahren ebenfalls oberste Priorität im Prozess der Zerstörung der liberalen Demokratie in Europa besitzt.
Zur Rolle von Elon Musk im globalen Angriff auf die liberale Zivilisation im Folgenden meine leicht ergänzte und aktualisierte Kolumne, die Anfang Januar zuerst hier und hier erschienen ist.
Gebannt wartet man in Europa darauf, was die zweite Amtszeit von Donald Trump bringen wird und klammert sich an die Hoffnung, es werde schon alles nicht so schlimm kommen. In Wahrheit aber zeichnet sich mit dieser Machtübernahme nicht weniger ab als die Zerstörung des institutionellen Gefüges der amerikanischen Demokratie und deren Ersetzung durch eine „libertär“ getarnte Oligarchenherrschaft neuen Typs. (Vgl. dazu: Elon Musk und der „libertäre“ Hang zur Autokratie – Herzinger.org)
Den Weg zu dieser neuen Herrschaftsform hat Trump durch die Einsetzung des Tech-Milliardärs Elon Musk in ein bedeutendes politisches Amt geebnet. Gemeinsam mit dem Unternehmer Vivek Ramaswamy soll Musk in einem neu geschaffenen Gremium namens „Amt für Regierungseffektivität“ Vorschläge zur radikalen Kürzung der Regierungsausgaben erarbeiten. (Inzwischen ist Ramaswamy auf Betreiben Musks bereits geschasst worden, der das neue Gremium nun allein leiten wird.) Die staatlichen Regelwerke, die von den ultrareichen Rechtslibertären als Hindernis bei der Verwirklichung ihrer wirtschaftlichen wie gesellschaftlichen Allmachtsfantasien betrachtet werden, soll einer von ihnen nun eigenhändig demontieren dürfen.
Kaum je zuvor hat es in eine demokratischen Gesellschaft eine solch offene Verschmelzung der Geschäftsinteressen eines privaten Mega-Unternehmers mit administrativer Macht gegeben. Welche aberwitzigen Konsequenzen dies auch weltpolitisch haben kann, hat sich schon kurz nach der Wiederwahl Trumps angedeutet, als dessen designierter Vizepräsident J.D. Vance der EU drohte, sollte sie Regulierungsmaßnahmen gegen Musks Nachrichtenplattform „X“ beschließen, würden die USA aus der NATO austreten
Griff nach den Wissensquellen
Musk selbst erlegt sich keinerlei Hemmungen auf, wenn es darum geht, seine neue Machtposition auszuspielen. So rief er kürzlich zu einem Spendenboykott gegen die Wissensplattform Wikipedia auf, weil deren – von ihren Nutzern selbst erstellte – Inhalte zu „woke“ seien. Es ist denkbar, dass Musk Wikipedia damit so stark schwächen will, dass es zum Verkauf angeboten werden muss. Und es dann in seinen Besitz bringen will, um das Internetlexikon seinen Vorstellungen umzuformen – das heißt: es wie zuvor Twitter (jetzt „X“) mit Desinformation und Verschwörungskonstrukten zu überschwemmen.
Zwar hat Musk mit seinem Boykottaufruf fürs erste offenbar das Gegenteil erreicht, ist die Spendenbereitschaft für Wikipedia doch sogar gestiegen. Dennoch ist Musks Angriff darauf nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Zeugt sie doch von seinem systematischen Versuch, relevante Quellen des Wissens und der Meinungsbildung unter seine Kontrolle zu bekommen, um eine von der objektiven Realität losgelöste fiktive Wirklichkeit zu etablieren, die von ihm selbst bestimmt wird. Dass Musk nun womöglich auch die einflussreiche Video-Plattform TikTok übernehmen wird, verstärkt die diesbezüglichen Befürchtungen.
Trump öffnet den neuen Tech-Oligarchen selbst gegen Widerstände aus seiner fundamentalistischen Basisbewegung MAGA das Tor zu maßgeblichem politischen Einfluss. Seine so errungene Stellung als eine Art „Nebenpräsident“ betrachtet Musk, der zu einem Großteil Trumps Wahlkampagne finanziert hat, als einen Freifahrtschein, sich auch in die Weltpolitik einzumischen. Dabei konzentriert er sich gegenwärtig auf die Beeinflussung des deutschen Wahlkampfs im Blick auf die Neuwahl zum Bundestag am 23. Februar.
Deutsche Apologeten
Auf „X“ postete Elon Musk kürzlich: „Nur die AfD kann Deutschland retten.“ Und er bekräftigte seinen Wahlaufruf für diese rechtsextreme Kreml-Partei in einem Textbeitrag, für den ihm der schon länger mit dem Nationalpopulismus liebäugelnde Springer-Verlag in seinem Wochenblatt Welt am Sonntag eine Bühne bot.
Deutsche Apologeten Trumps und Musks sind nun eifrig bemüht, die Intervention des Tech-Milliardärs als bloße harmlose „Meinungsäußerung“ hinzustellen – und die Kritik daran als Versuch, die Meinungsfreiheit zu unterdrücken. Damit aber machen sie sich zu Komplizen des von Trump und Musk betriebenen Neoautoritarismus. Denn dessen strategische Methode besteht darin, ihre autokratischen Bestrebungen als Kampf für das Recht auf freie Rede auszugeben. In Wahrheit zielen sie darauf, die Unterscheidungsfähigkeit zwischen überprüfbaren Tatsachen und propagandistischer Fiktion auszulöschen, um einen rationalen demokratischen Diskurs unmöglich zu machen.
Mit seiner Einladung der AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel zu einem Live Stream-Gespräch und zur Inauguration Trumps am 20. Januar hat Elon Musk endgültig jeden Zweifel daran beseitigt, wo er politisch steht und wie groß seine ideologische Übereinstimmung mit dem putinistischen Russland und dessen europäischer Gefolgschaft ist. Wie Putin trachten Musk und Trump danach, die europäischen liberalen Demokratien zu destabilisieren und die EU zu zerstören. Die dreiste Einmischung in die inneren Angelegenheiten einer befreundeten Demokratie zeigt dabei, wie verlogen die rechtspopulistische Propaganda gegen den liberalen „Globalismus“ ist, der den Nationen angeblich ihre Souveränität raube,
Ein globales Projekt
In Wahrheit ist es der rechtsnationalistische Antiliberalismus, der keine nationalen Grenzen und Selbstbestimmungsrechte respektiert, wenn es um die Unterminierung der freiheitlichen Demokratien und der regelbasierten Weltordnung geht. Die Durchsetzung des „libertären“ Autoritarismus beschränkt sich nicht auf die USA, sondern ist ein globales Projekt. Ein von Trump und Musk zum Schaden der Ukraine angestrebter fauler „Frieden“ mit Putin soll manifestieren, wie eine daraus abgeleitete Weltordnung aussehen würde: nur noch große, „geniale“ Führer hätten darin über das Schicksal der Völker zu entscheiden.
Wie vom Kreml wird Deutschland nun auch von der neuen US-Regierung als ein bevorzugtes Ziel von Desinformationskampagnen und Obstruktionsmanövern ins Visier genommen. Denn das demokratische System der Bundesrepublik und die es tragenden Parteien gehören – bei aller Unzulänglichkeit der deutschen politischen Elite – noch immer zu den stabilsten in Europa.
Die Bestrebung, diese Bastion zu schleifen, wird von Musks Sympathisanten in der politischen Mitte gerne als „kreative Disruption“ beschönigt. Doch damit verschleiern sie nur den planmäßigen Charakter dieser Operation zur Zerstörung der prozeduralen Ordnung der rechtsstaatlichen Demokratie, die der neuen Willkürherrschaft im Wege steht. Letzteres hat ein anderer mächtiger „libertärer“ Tech-Unternehmer, Peter Thiel, bereits vor Jahren mit seinem Diktum zum Ausdruck gebracht, Freiheit und Demokratie seien miteinander unvereinbar.