Die Atomrüstung des Iran muss gestoppt werden. Jetzt.

Das apokalyptische iranische Regime steht kurz vor dem Bau von Nuklearwaffen – mit denen es Israel auslöschen will. Glaubt man der EU sowie der Darstellung in hiesigen Medien, ist aber mal wieder der jüdische Staat der Friedensstörer.

Wenn die Europäische Union die Tötung des Atomphysikers Mohsen Fachrisadeh, eines führenden Kopfs des iranischen Atomwaffenprogramms, als „Straftat“ verurteilt, abstrahiert sie auf bezeichnend ignorante Weise von der Tatsache, dass der Iran offen die Auslöschung Israels propagiert. Wobei es sich bei dieser Vernichtungsdrohung keineswegs nur um irgendeine schrullige Marotte der Mullahs in Teheran handelt, sondern um den Kern ihrer Staatsideologie und damit das zentrale Staatsziel der Islamischen Republik Iran. Mit dem Besitz von Atomwaffen hätte das iranische Regime die Mittel in der Hand, um dieses Ziel tatsächlich zu realisieren – selbst wenn ein nuklearer Angriff auf Israel vermutlich auch den atomaren Untergang des Iran bedeuten würde.

Darauf, dass sich das iranische Regime davon abschrecken lassen würde, sollte sich aber niemand verlassen. Denn die Führung der Islamischen Republik lebt in einer apokalyptischen Wahnwelt, derzufolge wir unmittelbar vor der großen endzeitlichen Schlacht zwischen Gläubigen und Ungläubigen stehen. Inmitten von Krieg und Chaos soll dann der verborgene 12. Imam, der Mahdi, als Messias zurückkehren, um Allahs ewiges Reich des Friedens auf Erden zu errichten. Man muss also davon ausgehen, dass das Mullah-Regime bereit sein würde, diesem Heilsgeschehen durch die Auslösung eines Nuklearkriegs ein wenig nachzuhelfen, wäre es im Besitz der Mittel dafür.

Heuchlerische Europäer

Israels Geheimdienstminister Eli Cohen hat somit völlig recht, wenn er der EU im Fall des getöteten iranischen Atomexperten Heuchelei vorwirft: „Anstatt ganz klar über notwendige Sanktionen zu sprechen, anstatt sicherzustellen, dass der Iran nicht nach Atomwaffen strebt, sehen wir, wie sie (die Europäer) wieder den Kopf in den Sand stecken.“ Wer wie Fachrisadeh an führender Stelle daran arbeitet, dem Teheraner Regime das Werkzeug für die Realisierung seiner Vernichtungspläne gegen den jüdischen Staat in die Hand zu geben, ist kein unschuldiger Zivilist und unbeteiligter Wissenschaftler. Sollte hinter dem Anschlag also tatsächlich Israel stecken – was dieses selbstredend nicht bestätigt, wovon aber die meisten Experten ausgehen -, wäre dies daher als ein Akt der Selbstverteidigung zu betrachten.

Durch die deutschen Medien aber geistert unterdessen die Version, die israelische Regierung habe mit dieser Aktion die Pläne des designierten US-Präsidenten Joe Biden torpedieren wollen, das Atomabkommen mit dem Iran neu zu verhandeln. Erweckt wird damit das Bild von Israel als einem heimtückischen, verschlagen im Dunkel operierenden Drahtzieher schmutziger Intrigen – na, an was erinnert uns dieses Klischee denn wohl? Die Glaubwürdigkeit der soeben verabschiedeten Erklärung der EU zur Bekämpfung des Antisemitismus fördert die Verbreitung solcher Gerüchte jedenfalls nicht.

Iran hat bereits Material für zwei Atombomben

Tatsache ist indes, dass ein Anschlag dieser Größenordnung nicht einfach mal so binnen ein paar Wochen beschlossen und ausgeführt werden kann, sondern eine langfristige, präzise Planung erfordert. Angenommen, Israel sei tatsächlich der Urheber des Attentats, wie wäre es dann mit folgender simpler Erklärung dafür: für den jüdischen Staat ist es überlebensnotwendig, mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mittel unterhalb der Schwelle eines offenen Kriegs die iranische Nuklearaufrüstung aufzuhalten. Und die Zeit drängt: Seit die USA unter Trump aus dem Atomdeal ausgestiegen sind und Teheran sich seinerseits nicht mehr an dessen Auflagen hält, hat die iranische Nuklearrüstung in alarmierendem Tempo zusätzliche Fahrt aufgenommen. Iran soll heute über die zwölffache der im Atomabkommen als zulässig festgelegte Menge an atomwaffenfähigem Uran verfügen. Das wäre, entsprechend weiterverarbeitet, ausreichend für den Bau von zwei Atombomben. Trumps Politik der harten Sanktionen hat das so wenig verhindern können wie der von ihm aufgekündigte Atomdeal selbst.

Weit davon entfernt, dass dadurch neue Atomverhandlungen torpediert würden, spricht im Gegenteil einiges dafür, dass die Tötung Fachrisadehs den Druck auf das Regime in Teheran verstärkt ( vgl. hier), sich auf eine Neuverhandlung des Atomdeals einzulassen. Da die Entwicklung der Bombe nun zumindest wieder ins Stocken gerät und dem Regime klar geworden ist, dass es mit weiteren gezielten Schlägen gegen zentrale Funktionsträger seines Atomprogramms rechnen muss, könnte sich Teheran genötigt sehen, sich durch ein Eingehen auf neue westliche Verhandlungsbedingungen etwas Luft zu verschaffen.

Die USA müssen in der Region wieder Präsenz zeigen

Für den kommenden US-Präsidenten sind das eher günstige Vorzeichen dafür, das iranische Regime mit einer neuen robusten Diplomatie in die Zange zu nehmen. Voraussetzung dafür ist freilich, dass sich Biden und sein designierter Außenminister Antony Blinken nicht wie Obama bei dem verfehlten und in der Folgewirkung desaströsen Atomdeal von 2015 vom Iran (und seinem Verbündeten Russland) über den Tisch ziehen lassen.

Dass Biden und Blinken Israel deutlich näher stehen als Obama, weckt in dieser Hinsicht immerhin eine gewisse Zuversicht. Damit sie Erfolg haben, müssten aber auch die Europäer mit ihnen an einem Strang ziehen und sich endlich zu einer härteren Gangart gegenüber dem iranischen Regime durchringen. Neben wirksameren Überwachungsmechanismen der iranischen Urananreicherung müssten in einen neuen Deal auch Restriktionen des iranischen Raketenprogramms und Vorkehrungen gegen die Fortsetzung der aggressiven militärischen Aktivitäten Irans in der Region, von Syrien über Libanon und Irak bis Jemen, verankert werden.

Der Atomdeal von 2015, der all diese Punkte ausließ, war fatal. Fatal war aber auch, dass Trump ihn aufgekündigt hat, ohne eine auch nur ansatzweise konsistente Strategie zur Eindämmung des iranischen Hegemoniestrebens vorweisen zu können. Die Politik des Rückzugs der USA aus der Region stellt die beste Einladung für Teheran dar, dieses noch zu verstärken und durch den Besitz der Bombe zu krönen. Jeder Versuch, Iran in der Frage seiner Atombewaffnung zum Zurückstecken zu zwingen, steht und fällt mit der Wiederherstellung einer massiven, auf einer langfristigen Strategie basierenden Präsenz der Vereinigten Staaten im Nahen Osten.

Über den Autor

Richard Herzinger

Dr. Richard Herzinger, geboren 1955 in Frankfurt am Main, lebt und arbeitet als Publizist in Berlin. Als Autor, Redakteur und politischer Korrespondent war er für "Die Zeit", den Berliner "Tagesspiegel", die Züricher "Weltwoche" und zuletzt fast 15 Jahre lang für "Die Welt" und "Welt am Sonntag" tätig. Bereits vor 25 Jahren warnte er in seinem gemeinsam mit Hannes Stein verfassten Buch "Endzeitpropheten oder die Offensive der Antiwestler" vor dem Wiederaufstieg autoritärer und totalitärer Mächte und Ideologien. Er schreibt für zahlreiche deutsche und internationale Zeitungen und Zeitschriften, unter anderem eine zweiwöchentliche Kolumne für das ukrainische Magazin Український Тиждень (Ukrainische Woche; tyzhden.ua).

2 Kommentare

  • Ghaiba = Verborgenheit. al-Mahdi gilt als einer der verbogenen Imame … Woher kommt das mit dem „Verschollen sein“? vermutlich so schlecht und recht aufgeschnappt wie den Rest der Argumente??

    • Vollkommen richtig. Es hätte „verborgen“ und nicht „verschollen“ heißen müssen. Ein ärgerlicher Flüchtigkeitsfehler. Habe ihn im Text korrigiert. Vielen Dank für den Hinweis – auch wenn Sie ihn offensichtlich nicht in freundlicher Absicht gegeben haben.

Richard Herzinger

Dr. Richard Herzinger, geboren 1955 in Frankfurt am Main, lebt und arbeitet als Publizist in Berlin. Als Autor, Redakteur und politischer Korrespondent war er für "Die Zeit", den Berliner "Tagesspiegel", die Züricher "Weltwoche" und zuletzt fast 15 Jahre lang für "Die Welt" und "Welt am Sonntag" tätig. Bereits vor 25 Jahren warnte er in seinem gemeinsam mit Hannes Stein verfassten Buch "Endzeitpropheten oder die Offensive der Antiwestler" vor dem Wiederaufstieg autoritärer und totalitärer Mächte und Ideologien. Er schreibt für zahlreiche deutsche und internationale Zeitungen und Zeitschriften, unter anderem eine zweiwöchentliche Kolumne für das ukrainische Magazin Український Тиждень (Ukrainische Woche; tyzhden.ua).

Schreiben Sie mir

Sie können mich problemlos auf allen gängigen Social-Media-Plattformen erreichen. Folgen Sie mir und verpassen Sie keinen Beitrag.

Kontakt