Dass das Atomwaffenprogramm der Islamischen Republik Iran durch die Angriffe Israels und der USA vermutlich (zumindest vorläufig) weitgehend zum Erliegen gekommen ist, gibt Anlass zu großer Erleichterung – nicht nur für den jüdischen Staat, sondern für die gesamte freie Welt. Dies ist ein schwerer Rückschlag für eines der bösartigsten und gefährlichsten Diktaturen der jüngeren Geschichte, das die Vernichtung Israels als sein oberstes Staatsziel proklamiert, das hinter dem größten antijüdischen Massenmord seit dem Holocaust, dem Massaker vom 7. Oktober 2023 steckte und das den gesamten Nahen Osten jahrzehntelang mit Terror und Zerstörung überzogen hat. Und das, nicht zu vergessen, der eigenen Bevölkerung seit fast einem halben Jahrhundert die grundlegenden Menschenrechte und jegliche Zukunftsperspektive raubt.
Doch die globalpolitischen Begleitumstände, unter denen sich der für sich genommen vollkommen berechtigte Angriff auf dieAtomanlagen und die militärische Infrastruktur dieses aggressiven Regimes stattgefunden hat, verleihen ihm einen bitteren Beigeschmack. Denn indem Donald Trump am Höhepunkt der brillant geplanten und durchgeführten israelischen Offensive auf sie aufgesprungen ist, um den militärischen Erfolg nun triumphalistisch für sich zu reklamieren und sich nach Inkrafttreten der von ihm persönlich ausgerufenen Waffenruhe als “Friedensbringer” bejubeln zu lassen, hat er den Kampf gegen die iranische Bedrohung für seine irrlichternde weltpolitische Agenda, seine autokratischen Ambitionen und die Befeuerung seines damit verbundenen bizarren Personenkults vereinnahmt.
Dass sich Trump einerseits als Freund und Beschützer Israels geriert, zugleich aber die Ukraine mehr oder weniger unverblümt der mörderischen Willkür des von ihm zum strategischen Wunschpartner auserkorenen Verbrecherstaats Russland preisgibt, zeigt das ganze Ausmaß seiner Heuchelei und Falschspielerei. Von der Demonstration von Stärke, die er in Bezug auf das iranische Regime als Voraussetzung für einen “Deal” gepriesen hat, will er im Umgang mit dem Kreml bezeichnenderweise nichts wissen.
Folgerichtig hat für den Augenblick ausgerechnet Putins Russland, der Hauptalliierte des iranischen Regimes, von der militärischen Zuspitzung in der Region profitiert. Nicht nur, dass sie den Ölpreis steigen ließ und damit die Kriegskasse des Kreml gefüllt hat – dass sich alle Augen der Weltöffentlichkeit auf den Nahen Osten richteten, nutzte der russische Aggressor zu den schlimmsten Terrorbombardements auf ukrainische Städte seit Beginn der Großinvasion im Februar 2022. Zu alledem hat der Kreml noch die Dreistigkeit aufgebracht, den israelisch-amerikanischen Angriff als “unprovozierte Aggression” und “völkerrechtswidrig” zu verdammen – als genau das also, was in Wahrheit auf den russischen Vernichtungfeldzug gegen die Ukraine zutrifft.
Iran und sein Hauptverbündeter
Zu der jüngsten weiteren Intensivierung seiner Verbrechen gegen die Menschlichkeit aber ist Putin von Trump regelrecht ermutigt worden. Den Antrittsbesuch von Bundeskanzler Friedrich Merz im Weißen Haus Anfang Juni hatte der US-Präsident dazu genutzt, über den russischen Vernichtungskrieg gegen die Ukraine als einer Art Schulhofprügelei zu schwadronieren, in die man am besten nicht eingreifen sollte, und es folgte seine zynische Gleichsetzung von Aggressor und überfallenem Opfer, deren “gegenseitiger Hass” eben zu stark sei für einen schnellen Friedensschluss. In diesem Sermon hat Trump Russland sogar faktisch einen ausdrücklichen Freifahrtschein für weitere brutale Angriffe auf die Ukraine ausgestellt. Schließlich habe die Ukraine mit ihrer Operation gegen die russische Luftwaffe Russland soeben tief getroffen, und da bleibe Putin ja gewissermaßen gar nichts anderes übrig als entsprechend zu antworten. Dazu verkündete Trump dann auch noch, Sanktionen nicht nur gegen Russland (die er in Wahrheit keineswegs zu verhängen gedenkt), sondern auch gegen die Ukraine in Erwägung zu ziehen.
Für Trump bot der Krieg in Nahost seinerseits die ideale Gelegenheit, von dem Fiasko seiner gefakten “Friedensinitiative” für die Ukraine abzulenken – und davon, dass er damit in Wahrheit von Anfang an das Geschäft Putins betrieben hat. Offenbar betrachtet Trump den Nahen Osten auch als Modellfall für seine angestrebte globalstrategische Kooperation mit Putins Russland. Seine geradezu schon zur Routine gewordenen Telefonate mit dem Kreml-Herrscher lassen daran kaum einen Zweifel. Sein widersprüchlicher Kurs, mal mit einem “Regime Change” im Iran zu liebäugeln, um dann doch wieder eine „Verhandlungslösung“ für das Problem des iranischen Atomprogramms zu befürworten, ergibt unter dieser Voraussetzung Sinn: Trump stimmt sich mit dem Russland seines bewunderten Vorbilds Putin ab, um ihm Zeit zu geben, sich angesichts des drohen Verlusts seines iranischen Alliierten neu zu sortieren und sich als „stabilisierende“ Ordnungsmacht in der Region in Stellung zu bringen. Und das, obwohl Russland durch seine Waffenbrüderschaft mit dem Iran, der Hamas und Hisbollah erhebliche Mitschuld an dem Massaker vom 7. Oktober trägt!
Ausgerechnet der Hauptverbündete und Kriegsalliierte des iranischen Terrorstaats wurde von Trump bereits als potenzieller “Vermittler” zwischen Israel und der Islamischen Republik Iran ins Spiel gebracht – auch wenn er diese Perspektive zwischenzeitlich wieder rhetorisch heruntergespielt hat. Russland als “Vermittler” zu akzeptieren würde aber nichts anderes bedeuten als dass den Massenmördern in Moskau die Möglichkeit zu geben, ihren massenmörderischen Klienten in Teheran die Haut zu retten, oder doch zumindest sicherzustellen, dass sie aus der verheerenden Niederlage in der Konfrontation mit Israel möglichst wenig beschädigt hervorgehen. Besonders makaber daran ist, dass die notorisch enge Beziehung von Israels Premierminister Benjamin Natanjahu zu Putin diese Absicht, dem Kreml zu einer Schlüsselrolle bei der “Neuordnung” des Nahen Ostens zu verhelfen, keineswegs als unrealistisch erscheinen lässt.
Kreml als “Vermittler”?
Russland könnte sich als „Vermittler“ präsentieren, indem es für eine dem äußerlichen Anschein nach „gemäßigtere“ Linie des Regimes in Teheran zu sorgen verspricht. Ein “Deal” zwischen Trump und Putin könnte in etwa so aussehen: Russland “garantiert”, dass sich die Fortsetzung der iranischen Urananreicherung auf einem niedrigen Niveau bewegt, das nicht in die Nähe der nuklearen Waffenfähigkeit kommt, und Trump gibt Russland dafür endgültig freie Hand für seinen Vernichtungskrieg gegen die Ukraine. So kann sich Trump als “Friedensstifter” im Nahen Osten inszenieren, während er sich auf der anderen Seite verstärkt auf die Denunziation der Ukraine als dem eigentlichen Hindernis für einen “Frieden” verlegen wird.
Belohnt würde damit die Macht, die seit Jahrzehnten als Hauptstütze des iranischen Terroregimes fungiert hat. Wieder einmal ist der Kreml drauf und dran, die Spuren seiner mörderischen Umtriebe erfolgreich zu verwischen – so wie Russland aus dem Zusammenbruch des Assad-Regimes in Syrien, wo es Seite an Seite mit seinem Günstling in Damaskus ungeheuerliche Verbrechen gegen die syrische Zivilbevölkerung begangen hat, bisher ungeschoren hervorgegangen ist. Mit den neuen Machthabern in Syrien hat es sich arrangiert, seinen dortigen Mittelmeer-Flottenstützpunkt hat es behalten, und dafür, dass es in Waffenbrüderschaft mit seinem Kriegsalliierten Iran Syrien von Schutt und Asche gelegt hat, wird es von keiner internationalen Institution zur Rechenschaft gezogen.
Gegenüber euphorischen Hoffnungen auf einen bevorstehenden Kollaps des islamistischen Herrschaftssystem im Iran ist vor diesem Hintergrund Skepsis angebracht. Das Regime ist zwar schwer angeschlagen, doch darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die iranische Despotie keineswegs allein steht, sondern mit Russland, China (und Nordkorea in der Hinterhand) nach wie vor über mächtige und extrem aggressive Verbündete verfügt. Mit Russland ist sie eine militärische, mit China, dem mit Abstand größten Abnehmer des iranischen Öls, eine wirtschaftliche Symbiose eingegangen. Diese Mächte werden alles daran setzen, das aktuell herrschende Regime mit verschärfter Repression an der Macht zu halten beziehungsweise die Kontrolle über vermeintlich “gemäßigtere” Machthaber zu behalten, durch die sie – etwa mittels eines Militärputschs – ersetzt werden könnten.
Ambitionen der Autokraten
Unter diesen Voraussetzungen ist es generell ein Trugschluss zu glauben, dass mit dem Niedergang oder dem möglichen Fall des iranischen Regimes automatisch der Einfluss des Westens in der Region wachsen oder gar die Demokratie massiven Auftrieb bekommen würde. Eine „Neuordnung“ des Nahen Ostens, von der jetzt allenthalben die Rede ist, wäre wesentlich von dem Zusammenspiel der arabischen Autokratien, allen voran Saudi-Arabien, mit autoritären Mächten wie China und Russland geprägt. Die arabischen Despoten mit ihren wachsenden globalen Großmachtambitionen legen keinerlei Hemmungen an den Tag, wenn es darum geht, sich mit den gleichgesinnten Führern in Moskau und Peking zusammenzutun, um diese Ambitionen voranzutreiben. Der Kleptokrat Trump, der sich kürzlich von Katar mit einem Jumbojet beschenken ließ, passt perfekt in diese Phalanx grenzenlos raffgieriger Potentaten. Weltpolitik im Sinne der Förderung demokratischer Werte betreibt Washington unter der Herrschaft des Trumpismus ohnehin nicht mehr.
Zugleich ist ungewiss, ob Israel unter einem triumphierenden Netanjahu und seinen rechtsextremen Regierungspartnern auf Dauer eine freiheitliche Demokratie bleiben wird oder sich in einen religiös-nationalistischen Staat oder zumindest eine „illiberale Demokratie“ verwandeln wird. Die engen ideologischen Bande Netanjahus zu Trump, aber auch zu Putin lassen in dieser Hinsicht nichts Gutes erahnen. Dass Israel im Frühjahr in den UN für die Ukraine-Resolution Washingtons gestimmt hat, in dem Russland nicht als Aggressor genannt wurde, markierte in dieser Hinsicht einen unvergessenen Tiefpunkt. Allerdings gehört zur Wahrheit auch, dass Israel mit seiner Militäroperation gegen den Iran der Ukraine indirekt Schützenhilfe geleistet hat – indem es das iranische Raketen-und Drohnenarsenal reduziert hat, dessen Potenzial Russland für seinen genozidalen Krieg gegen die Ukraine nutzt.
Dass Trump an der Seite Israels zu stehen vorgibt, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass er in Wahrheit ein Antipode der demokratischen Zivilisation in ihrem Inneren und ein Obstrukteur des westlichen Bündnisses ist. Im Blick auf den bevorstehenden NATO-Gipfel in Den Haag haben die ehemaligen hohen NATO-Offiziellen Stefanie Babst und Richard Shirreff in einem gemeinsamen Artikel die Europäer aufgefordert, sie sollten ihn “nicht damit verplempern, Trump untertänig um ein Zeichen seiner Gewogenheit anzubetteln; um eine zugewandte Geste, die das Gefühl vermittelt, alles wäre in schönster transatlantischer Ordnung. Dieser Zug ist abgefahren.”
Folgen der Beschwichtigung
Vorauseilend wurden Trump jedoch bereits im Vorfeld des Gipfeltreffens alle nur erdenklichen Konzessionen gemacht wie die, dass der ukrainische Präsident Selenskyi dort nur am Rande auftreten darf und über die großen strategischen Fragen wie das Verhältnis zu Russland und die Ukraine erst gar nicht geredet werden soll – von dem anstehenden ukrainischen Beitritt zur Atlantischen Allianz ganz zu schweigen.
Der erste Schritt, sich gegenüber Trumps Regime unabhängig zu machen, ist, so Babst und Shireff, “der Ukraine die Mittel und Fähigkeiten zu geben, um die russischen Truppen in der Ukraine unter massiven Druck zu setzen und ihre Möglichkeiten einzuschränken, die Ukraine mit Drohnen und Raketen zu terrorisieren. Und dann braucht es glaubwürdige Sicherheitsgarantien für die Ukraine. Nur wenn Putin (und seine Nachfolger) erkennen, dass sie die Ukrainer niemals dazu zwingen können, Teil eines neuen russischen Imperiums zu werden, kann es einen dauerhaften Frieden in Europa geben.”
Ob sich die europäischen Demokratien zu einer solchen Kraftanstrengung als fähig und willens erweisen werden, ist jedoch leider zu bezweifeln. Schließlich war es ihre jahrzehntelange Politik der Beschwichtigung und Kollaboration gegenüber Russland, wie auch gegenüber dem Iran, die Putins kriegerische Aggression in Europa ebenso wie Teherans terroristische Expansion im Nahen Osten begünstigt hat. Und die sie nun dazu verdammt, Trumps autistischen Willkürhandlungen weitgehend ohnmächtig zusehen zu müssen. Dem entkommen zu wollen, indem man nun Trump zu beschwichtigen versucht, wäre ein erneuter fataler Irrweg.
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Lieber Herr Herzinger, vielen Dank für diese ausführliche, detaillierte Analyse der Lage! Ich bin nur an einem Detail hängengeblieben: Ist der russische Stützpunkt in Syrien nicht am Mittelmeer? Sie schrieben, am Schwarzen Meer. Freundliche Grüße!
Vielen herzlichen Dank für den Hinweis! Sie haben selbstverständlich völlig recht, ich habe den Flüchtigkeitsfehler sogleich verbessert.