Gegen Trumps Friedenslüge: Keine Zerstückelung der Ukraine!

Angesichts des Schmierentheaters um einen vermeintlich bevorstehenden, von ihm vermittelten “Frieden” für die Ukraine, mit dem Donald Trump das Bewusstsein der westlichen Öffentlichkeit vernebelt, gilt es einige grundlegende Tatsachen festzuhalten und elementare Wertmaßstäbe zurechtzurücken.

Denn mit seiner ebenso bizarren wie maliziösen “Friedens”-Gaukelei ist es Trump immerhin schon gelungen, den Diskurs der westlichen Öffentlichkeit über eine mögliche Beendigung des Kriegs substanziell zu verändern: Dass die Ukraine dem Aggressor gegenüber “Konzessionen” in Form von Gebietsabtretungen machen müsse, gilt nun auch in Europa allgemein bereits als ausgemachte Sache. Die hiesigen Debatte kreisen jetzt vorauseilend darum, welche “Sicherheitsgarantien” der Ukraine im Falle einer Waffenruhe oder einer weitergehenden Friedensvereinbarung zukommen sollten – worin bereits stillschweigend eingepreist ist, dass als Voraussetzung dafür dem Terrorstaat Russland zumindest “fürs erste” ukrainische Gebiete in den Rachen geworden werden müssten.

Käme es aber dazu, würde dies nicht nur bedeuten, die Bevölkerung der besetzten Territorien auf Dauer dem genozidalen Terror der Okkupanten auszuliefern. Den russischen Angriffskrieg auch nur partiell zu belohnen, hieße überdies, die politischen, normativen und ethischen Grundlagen der europäische Friedensordnung im Ganzen in Makulatur zu verwandeln.

Trumps Nebelkerzen

Dabei muss absolut klar sein: Sollte Putin tatsächlich irgendwann einem wie auch immer gearteten Waffenstillstand oder gar einem “Friedensabkommen” zustimmen, wird er dies in jedem Fall lediglich als einen taktischen Schritt auf dem Weg zur Realisierung seines eigentlichen und einzigen Kriegsziels betrachten: die Ukraine vollständig zu vernichten – als Vorstufe zu seinem längst anvisierten Feldzug auch gegen NATO-Staaten. Das Putin-Regime kann sich keinen Frieden leisten, denn es braucht den permanenten Krieg als seinen einzigen Daseinsgrund, um sich an der Macht zu halten – und mehr noch, um das imperiale Konstrukt namens “Russische Föderation” aufrecht zu erhalten, das auf keiner anderen “Staatsidee” beruht als dem Kult der nackten Gewalt.

Trump und seine Paladine aber werfen eine Nebelkerze nach der anderen, um vorzutäuschen, es finde gegenwärtig tatsächlich ein “Friedensprozess” statt. Ob Trump nun vorgaukelt, Putin habe einem baldigen Treffen mit Selenskyj zugestimmt, oder ob sein Vize JD Vance neuerdings behauptet, der Kreml-Chef habe gegenüber dem US-Präsidenten substanzielle Abstriche von seinen Maximalforderungen zur Unterwerfung der Ukraine vorgenommen – nichts davon ist von der Realität gedeckt, und es wird vom Kreml ein ums andere Mal dementiert. Allerdings schürt auch Putin selbst mit kryptisch vagen Aussagen immer wieder Illusionen über seine vermeintliche Verhandlungsbereitschaft, um Trump bei Laune zu halten und ihm weiteren Stoff für seine Verwirrspiele zu liefern. Denn nichts besseres kann dem Kreml-Herrscher passieren, als dass der mächtigste Mann der westlichen Welt systematisch die internationale Abwehrfront gegen den russischen Aggressor von innen heraus sabotiert und ihren Wertekompass desorientiert.

Statt aber unterwürfig um Trumps Gunst zu buhlen und, um ihn gnädig zu stimmen, ihre Position gegenüber der russischen Aggression immer weiter aufzuweichen, müssen die Europäer endlich begreifen: Unter dem Regime des kriminellen Kleptokraten und Autokraten in spe Donald Trump verwandeln sich die USA von der maßgeblichen Schutzmacht der freien Welt in einen gefährlichen Zerstörer der demokratischen Zivilisation. Trumps perverse Gipfelshow mit Putin in Alaska diente allein dem Zweck, den Völkermörder und Terrorchef im Kreml auf der Weltbühne zu rehabilitieren und demonstrativ zu signalisieren, dass Washington bereit ist, mit ihm gemeinsame Sache zu machen. Sein wahres Gesicht hat Trump gezeigt, als er den Jahrhundertverbrecher, den er öffentlich einen “guten Freund” nennt, auf amerikanischem Boden den roten Teppich ausgerollt, ihn mit Applaus begrüßt und ihm liebevoll die Hand getätschelt hat. Da fehlte eigentlich nur noch der Bruderkuss.

Mit Putin ins Bett

Wer wie Trump die Ukraine zu Gebietsabtretungen an den Aggressor – in Orwellscher Manier als “Landtausch” bezeichnet – nötigen will, befördert nicht den Frieden, sondern betreibt das Geschäft Putins, dessen mörderischem Anspruch auf die von ihm gewaltsam geraubten Gebiete damit der Anschein von Legitimität verliehen wird. Überhaupt haben Trump und seine Administration bezüglich des Krieges längst das Kreml-Narrativ übernommen, indem sie den Aggressor und das Opfer der Aggression nicht nur gleichsetzen, sondern wiederholt Selenskyj und der ukrainischen Regierung sogar die Hauptschuld am Krieg in die Schuhe geschoben haben. Erst kürzlich hat Trump einmal mehr die üble Suggestion aufgewärmt, Selenskyj habe den Krieg begonnen oder doch zumindest eine Wahl gehabt, ob er ihn führen wolle. Das klang in Trumps üblichem wirren Gestammel so: “Was mich ein wenig gestört hat, war Selenskyjs Aussage, er müsse eine verfassungsmäßige Zustimmung zu etwaigen Gebietsabtretungen einholen. Er hat das Recht, in den Krieg zu ziehen und alle zu töten, aber er braucht Zustimmung, um einen Landtausch durchzuführen? Denn es wird einen Landtausch geben. Das weiß ich von Russland und durch Gespräche mit allen Beteiligten – zum Wohle der Ukraine…”.

Ungeachtet aller Lippenbekenntnisse, man habe nur das Beste für die Ukraine im Sinn, ist Trump und seinem Anhang das Schicksal der Ukrainerinnen und Ukrainer in Wahrheit völlig gleichgültig – wenn sie nicht gar von tiefem Hass gegen sie als lästigen “Störenfried” bei der Fortentwicklung der russisch-amerikanischen Beziehungen getrieben sind. Ihnen geht es darum, sich den Krieg so schnell wie möglich vom Hals zu schaffen, damit sie sich ungestört mit Putin ins Bett legen und mit dem russischen Mafiastaat lukrative – sprich: kriminelle – Geschäfte machen können.

Die ganze mit aggressiver Dreistigkeit vorgetragene Ignoranz und Inkompetenz des trumpistischen Milieus kam kürzlich exemplarisch in einer Interviewäußerung von JD Vance zum Ausdruck. Nachdem er darin bekräftigt hatte, dass die Ukraine Territorien abgeben müsse, um den Krieg zu beenden, verstieg sich Vance zu der Behauptung: „Wenn Sie sich den Zweiten Weltkrieg ansehen oder jeden größeren Konflikt in der Menschheitsgeschichte, die endeten alle mit einer Form von Verhandlungen.” Dass, wie jedes Schulkind weiß, der Zweite Weltkrieg in Wahrheit mit der bedingungslosen Kapitulation Nazi-Deutschlands sowie seines Verbündeten Japans endete, schert Vance nicht, wenn es darum geht, die eigene, selbst erfundene Realität an die Stelle der historischen Wirklichkeit zu setzen.

Irreführung der Weltöffentlichkeit

Dabei darf nicht vergessen werden, dass das Trump-Regime, sofern es überhaupt je inhaltliche Aussagen zu einem möglichen Frieden gemacht hat, von Anfang Positionen bezogen hat, die sich mehr oder weniger nahtlos mit denen Russlands decken. Bereits im September 2024 hatte der damalige Vizepräsidentschaftskandidat Vance den Plan verkündet, Russland solle die eroberten ukrainischen Gebiete im Wesentlichen behalten, eine unbestimmte Friedenstruppe solle die aktuellen Frontlinien überwachen, und der Ukraine müsse der NATO-Beitritt verwehrt werden. An dieser Linie haben Trump und seine Gefolgschaft jenseits allen rhetorischen Zick-Zacks konsistent festgehalten und erst jüngst wieder bekräftigt, dem Aggressor solle die Krim und große Teile des Donbass überlassen sowie ein NATO-Beitritt der Ukraine definitiv ausgeschlossen werden. Verbunden hat Trump dies sogleich mit der im drohenden Tonfall vorgetragenen Aufforderung an die Ukraine, sie solle einen solchen “Deal” annehmen, da doch Russland eine “solch große Macht” sei

Von irgendwelchen Forderungen an Putin oder Bedingungen, die Trump ihm angeblich stellen wollte, ist inzwischen längst nicht mehr die Rede. Markige Worte Trumps im Vorfeld des Treffens mit Putin wie die, Russland habe “mit schweren Konsequenzen” zu rechnen, sollte er nicht einem Waffenstillstand zustimmen, dienten lediglich der Irreführung der Weltöffentlichkeit und insbesondere der westlichen Verbündeten.

Seine zwischenzeitlich als vermeintliche “Ultimaten” formulierten “Drohungen” mit Sekundärsanktionen gegen Russland für den Fall, dass es sich nicht zum Frieden bekehre, hat der pathologische Lügner im Präsidentenamt ebenso stillschweigend unter den Tisch fallen lassen wie seine lange Zeit stets wiederholte Forderung nach einem sofortigen Waffenstillstand. Jetzt folgt Trump offen der Putinschen Formel, derzufolge zuerst über einen “umfassenden Frieden” zu “verhandeln” sei – wo es doch offensichtlich ist, dass der Kreml unter Verhandlungen” nichts anderes versteht, als dass Russland darin seine Bedingungen für einen “Frieden” diktiert und die Ukraine de facto zu kapitulieren habe. Indem er sich Putins Lesart eines “Wegs zum Frieden” anschließt, gibt Trump ihm faktisch grünes Licht dafür, seinen Vernichtungskrieg gegen die Ukraine im Sinne der vollständigen Verwirklichung seiner verbrecherischen, diabolischen Kriegsziele ungehindert weiterzuführen. Drastischer ausgedrückt: Trump hat damit offen sein Plazet zum Fortgang des russischen Völkermords erteilt.

Europa muss antworten

Alle, denen noch an einer Zukunft des freien Europa und der Fortexistenz der Demokratie gelegen ist, müssen endlich begreifen, was seit Langem offensichtlich ist – und was ich bereits Ende vergangenen Jahres und seitdem immer wieder erklärt habe – : Trump bringt keinen Frieden, er ist vielmehr Putins Erfüllungsgehilfe. Europa muss aufhören, sich das korrupte und politisch-moralisch verdorbene Trump-Regime als einen “schwierigen Verbündeten” schönzureden. und sich gegen den Druck der Achse Trump-Putin rüsten.

Statt sich weiterhin der verzweifelten Hoffnung hinzugeben. der mono- und megalomanische US-Präsident sei tatsächlich an einem stabilen und gerechten Frieden für die Ukraine interessiert, und nicht vielmehr an einer publicityträchtigen Selbstinszenierung zwecks Beförderung seiner – allen Ernstes gehegten – Ambitionen auf den Friedensnobelpreis, müsste Europa jetzt energisch seine eigene Agenda vorantreiben. Die einzige richtige Antwort auf Trumps als Friedensinitiative getarnte Kungelei mit Putin wäre jetzt, die militärische Unterstützung der Ukraine massiv aufzustocken und jeglichem Versuch der Zerstückelung der Ukraine kategorisch entgegenzutreten.

Davon dürfen sich die Europäer auch nicht durch potenzielle Drohungen Trumps mit einem Handelskrieg abbringen lassen, die er einsetzen könnte, um ihre Zustimmung zu einem faulen Friedensschluss mit Russland zu erzwingen. Auf Konfrontationskurs mit Washington zu gehen, impliziert gewiss einen riskanten Einsatz. Doch für die Sicherung seiner Zukunft an einem derartigen existenziellen historischen Wendepunkt, an dem wir uns in diesem Moment befinden, muss Europa bereit sein, auch einen erheblichen Preis zu zahlen.

Williger Komplize

Dass es sich bei Trump um einen willigen Komplizen Putins und damit um ein Werkzeug des Bösen handelt, ist die schlichte, düstere Wahrheit hinter all der Konfusion, die der trumpistische Propaganda- und Desinformationsapparat rund um die Uhr gezielt stiftet. Es ist auch die simple Antwort auf all das Rätselraten westlicher Experten und Kommentatoren, die sich täglich über die diffusen Ergüsse des Präsidentendarstellers im Weißen Haus beugen – in dem nie erlahmenden Ehrgeiz, darin irgendeinen verborgenen Sinn zu entschlüsseln, der Anlass zu der Zuversicht geben könnte, Trump werde sich irgendwann doch noch zu besserer Einsicht bekehren.

In die Irre führt dabei auch die weit verbreitete Annahme, Trump sei irgendwie zu naiv und unerfahren, um Putin zu durchschauen, und er lasse sich deshalb von ihm an der Nase herumführen und über den Tisch ziehen. Doch so einfältig, um nach all den ungeheuerlichen Verbrechen. die Putins Russland begangen hat und fortgesetzt begeht, noch immer nicht zu begreifen, mit wem man es zu tun hat, kann kein Sterblicher sein. Tatsache ist vielmehr, dass Trump sich dem Willen Putins freudig beugt, um sich seine Nähe und Zuneigung zu sichern. Die Loyalität gegenüber Putin stellt die einzige verlässliche Kontinuität in Trumps chaotischer politischer Agenda dar und bildet die eigentliche Essenz seiner politischen, ja, seiner öffentlichen Existenz überhaupt. Ob das (nur) dem Umstand geschuldet ist, dass ihn Putin qua Kompromat in der Hand hat, sei dahingestellt. Offensichtlich handelt es sich hier aber um ein weit darüber hinausgehendes konstitutives Syndrom der Psychopathologie Trumps. Seine unterwürfige Bewunderung für Putin ist so etwas wie die komplementäre Kehrseite seines narzisstischen Allmachtswahns. Den scheint er nicht stabil aufrechterhalten zu können, ohne ihn an einem Idol, an dem Vorbild eines “starken Manns” auszurichten, der es bereits bis an die absolute Macht geschafft hat.

Jenseits aller ebenso grotesken wie vergeblichen Trump-Flüsterei müsste Europa jetzt sein eigenes Schicksal in die Hand nehmen und unzweideutig der Erkenntnis folgen, dass es für den Frieden und den Erhalt der Freiheit in Europan auch weiterhin nur eine Option gibt: die vollständige militärische und politische Niederlage des Terrorstaats Russland auf ukrainischem Boden und die Vertreibung des völkermörderischen Aggressors von dem gesamten ukrainischen Territorium. Geben die Europäer dieses Ziel auf, schaufeln sie sich ihr eigenes Grab. Denn fällt die Ukraine, wird der Krieg unweigerlich über ganz Europa hereinbrechen. Es wird allerhöchste Zeit, dass sich die europäischen Demokratien dieser epochalen Herausforderung in ihrem ganzen bedrohlichen Ausmaß stellen und mit adäquater Konsequenz darauf reagieren.

Über den Autor

Richard Herzinger

Dr. Richard Herzinger, geboren 1955 in Frankfurt am Main, lebt und arbeitet als Publizist in Berlin. Als Autor, Redakteur und politischer Korrespondent war er für "Die Zeit", den Berliner "Tagesspiegel", die Züricher "Weltwoche" und zuletzt fast 15 Jahre lang für "Die Welt" und "Welt am Sonntag" tätig. Bereits vor 25 Jahren warnte er in seinem gemeinsam mit Hannes Stein verfassten Buch "Endzeitpropheten oder die Offensive der Antiwestler" vor dem Wiederaufstieg autoritärer und totalitärer Mächte und Ideologien. Er schreibt für zahlreiche deutsche und internationale Zeitungen und Zeitschriften, unter anderem eine zweiwöchentliche Kolumne für das ukrainische Magazin Український Тиждень (Ukrainische Woche; tyzhden.ua).

von Richard Herzinger

Richard Herzinger

Dr. Richard Herzinger, geboren 1955 in Frankfurt am Main, lebt und arbeitet als Publizist in Berlin. Als Autor, Redakteur und politischer Korrespondent war er für "Die Zeit", den Berliner "Tagesspiegel", die Züricher "Weltwoche" und zuletzt fast 15 Jahre lang für "Die Welt" und "Welt am Sonntag" tätig. Bereits vor 25 Jahren warnte er in seinem gemeinsam mit Hannes Stein verfassten Buch "Endzeitpropheten oder die Offensive der Antiwestler" vor dem Wiederaufstieg autoritärer und totalitärer Mächte und Ideologien. Er schreibt für zahlreiche deutsche und internationale Zeitungen und Zeitschriften, unter anderem eine zweiwöchentliche Kolumne für das ukrainische Magazin Український Тиждень (Ukrainische Woche; tyzhden.ua).

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