Ukraine: Europa hat die Wahl! Ein Aufruf zum Handeln

Seit dieser jetzt erschienene internationale Aufruf von Parlamentariern, Wissenschaftlern und anderen Persönlichkeiten des europäischen und transatlantischen öffentlichen Lebens formuliert wurde, hat sich die Lage noch weiter dramatisch zugespitzt: Das Trump-Regime in Washington versucht nun mit massivem Druck eine “Friedenslösung” für die Ukraine zu erzwingen, die weitestgehend die Forderungen des Aggressors erfüllt und deren Realisierung nicht nur die Zerstörung der ukrainischen Souveränität und Demokratie bedeuten würde, sondern auch den Anfang vom Ende der europäischen Sicherheitsordnung sowie der regelbasierten internationalen Ordnung insgesamt. Um seines Überlebens willen muss das demokratische Europa jetzt unverzüglich entschlossen handeln, die militärische und politische Unterstützung für die Ukraine massiv ausbauen und Trumps Plan für einen Kaptulations-“Frieden” unzweideutig in aller Schärfe zurückweisen.

Im Folgenden der vollständige Wortlaut des Aufrufs “Ukraine: Europa hat die Wahl”, den u.a. der ehemalige belgische Ministerpräsident Guy Verhofstadt, die polnische Regisseurin Agnieszka Holland, der britische Politikanalyst Timothy Garton Ash, der US-Politologe Francis Fukuyama, die US-Historikerin Marci Shore, der deutsche Historiker Karl Schlögel und der französische Schriftsteller Jonathan Littell unterschrieben haben. Die vollständige Liste der Unterzeichner, zu denen auch ich gehöre, finden Sie hier.

Europa kann entweder im Schlepptau der politischen Entscheidungen von US-Präsident Trump bleiben, die ohne wirkliche Absprache mit den anderen NATO-Mitgliedstaaten getroffen wurden, oder beschließen, sich auf seine Stärken zu stützen, um die Sicherheitsinteressen der Ukraine und seine eigenen durchzusetzen.

Für die meisten NATO-Mitglieder ist Sicherheit in Europa in Zukunft undenkbar, wenn Russland in der Ukraine nicht eine klare, unbestreitbare militärische Niederlage erleidet. Dies ist die notwendige und wahrscheinlich auch ausreichende Bedingung, um die Voraussetzungen nicht für einen Regimewechsel zu schaffen, über den allein das russische Volk zu entscheiden hat, sondern für die Ablösung des in Moskau herrschenden Kriegsclans durch eine Gruppe pragmatischer Führender, die mit der imperialistischen Politik der gegenwärtigen russischen Behörden brechen wollen.

Die europäischen Länder müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass die Trump-Regierung sich weigert, die Ukraine in die NATO aufzunehmen, und dass sie nicht in der Lage ist, eine ernsthafte Alternative im Hinblick auf Sicherheitsgarantien für die Ukraine zu formulieren. 

Wir appellieren daher an die europäischen Regierungen, auf der Grundlage der Forderung des US-Präsidenten den Einsatz von Friedenstruppen durch folgende Maßnahmen vorwegzunehmen.

● Sofortige Entsendung von 30.000 Soldatinnen und Soldaten zur Verstärkung der ukrainischen Streitkräfte, die für die Verteidigung der 1000 km langen Grenze zwischen Belarus und der Ukraine zuständig sind, um das Risiko einer möglichen direkten Verwicklung von Belarus in den Krieg zu begrenzen;

● Bereitstellung einer Truppe von 50.000 Soldatinnen und Soldaten, die innerhalb von drei Monaten die ukrainischen Streitkräfte zur Verteidigung der russisch-ukrainischen Grenze in den Regionen Sumy und Charkiw verstärken sollen;

● Vorbereitung einer 100.000 Mann starken Truppe, die nach dem Abzug der russischen Streitkräfte aus der Ukraine oder deren Niederlage an der Seite der ukrainischen Streitkräfte an der Verteidigung der russisch-ukrainischen Grenze in den Gebieten Luhansk und Donezk teilnehmen soll.

Der Auftrag dieser europäischen Streitkräfte beschränkt sich auf die Verteidigung der internationalen Grenzen der Ukraine durch die Verhinderung oder Neutralisierung jeglicher Einfall- oder Invasionsversuche der russischen Armee. Im Rahmen dieses Auftrags werden diese Streitkräfte in das allgemeine militärische Dispositiv der Ukraine integriert.

Wir fordern die Regierungen der europäischen Länder auch nachdrücklich auf, sich bereitzuhalten, um eine mögliche Unterbrechung der US-Militärhilfe für die Ukraine auszugleichen.

Über den Autor

Richard Herzinger

Dr. Richard Herzinger, geboren 1955 in Frankfurt am Main, lebt und arbeitet als Publizist in Berlin. Als Autor, Redakteur und politischer Korrespondent war er für "Die Zeit", den Berliner "Tagesspiegel", die Züricher "Weltwoche" und zuletzt fast 15 Jahre lang für "Die Welt" und "Welt am Sonntag" tätig. Bereits vor 25 Jahren warnte er in seinem gemeinsam mit Hannes Stein verfassten Buch "Endzeitpropheten oder die Offensive der Antiwestler" vor dem Wiederaufstieg autoritärer und totalitärer Mächte und Ideologien. Er schreibt für zahlreiche deutsche und internationale Zeitungen und Zeitschriften, unter anderem eine zweiwöchentliche Kolumne für das ukrainische Magazin Український Тиждень (Ukrainische Woche; tyzhden.ua).

von Richard Herzinger

Richard Herzinger

Dr. Richard Herzinger, geboren 1955 in Frankfurt am Main, lebt und arbeitet als Publizist in Berlin. Als Autor, Redakteur und politischer Korrespondent war er für "Die Zeit", den Berliner "Tagesspiegel", die Züricher "Weltwoche" und zuletzt fast 15 Jahre lang für "Die Welt" und "Welt am Sonntag" tätig. Bereits vor 25 Jahren warnte er in seinem gemeinsam mit Hannes Stein verfassten Buch "Endzeitpropheten oder die Offensive der Antiwestler" vor dem Wiederaufstieg autoritärer und totalitärer Mächte und Ideologien. Er schreibt für zahlreiche deutsche und internationale Zeitungen und Zeitschriften, unter anderem eine zweiwöchentliche Kolumne für das ukrainische Magazin Український Тиждень (Ukrainische Woche; tyzhden.ua).

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